„Watergate X“ von Stathis Klotsikas


"Watergate X": Gestochen scharfe Bilder von glücklichen Watergate-Jüngern, Foto: Screenshot Trailer

"Watergate X": Gestochen scharfe Bilder von glücklichen Watergate-Jüngern, Foto: Screenshot Trailer

Laudatio auf die Prollkultur

Die Oberbaumbrücke –der Ort in Berlin, der Kreuzberg von Friedrichshain trennt, wo betrunkene Touristen im Nebel des Uringestanks verzweifelt nach ihrem Hostel suchen und wo außerdem das Watergate seinen angestammten Platz hat, was nach dessen zehnjähriger Erfolgsgeschichte mit einer filmischen Diarrhoe der Selbstbeweihräucherung endlich mal gewürdigt werden musste.

Watergate X“ lautet der Titel der 40-minütigen Pseudodoku, die gestern Abend (1. November)  im Rahmen ihrer Weltpremiere für einen ausverkauften Saal im Babylon Mitte sorgte und außerdem für die Erkenntnis, dass man hier eigentlich nicht hergehört und daher wohl besser nicht gekommen wäre. Zwischen gegelten Rasenmäherfrisuren und geglätteten Extensions, Polyester-Muscle-Shirts mit Tribal-Aufdruck und künstlichen Fingernägeln, die erwartungsfroh ein Prosecco-Glas umklammerten oder sich in die Sitze krallten, überkam einen die dunkle Vorahnung, dass man hier wortwörtlich im falschen Film saß.

Gut war es da, dass der vorab gezeigte Trailer zum In-Edit nochmals an all die sehenswerten Filme im Programm erinnerte, was bei einem Großteil des Publikums aber leider nur für ungläubiges Glucksen, unkontrollierte Symptominterjektionen oder im schlimmsten Fall für sinnentleertes Gelächter sorgte. Beim Beginn des Films hatten einige Zuschauer ihre Sprache dann doch wiedergefunden und verliehen ihrer Euphorie über die ersten Beats mit der krakeelten Aufforderung „Lauter!!!“ den entsprechenden Ausdruck. Mitarbeiter des Clubs und anerkannte Größen der elektronischen Musik kommen in „Watergate X“ zu Wort, darunter die Berliner DJane Ellen Allien, deren Vokabular sich allerdings auch nur auf Formulierungen wie „großartig“, „super“ und „tolle Energie“ begrenzt. Mit von der Partie – oder Party – war auch ein sichtlich gealterter Sven Väth, der damit angab, sich im Dienste seiner DJ-Passion über die Arbeitszeiten des morgendlichen Putzpersonals heroisch hinwegzusetzen. Denn Sven Väth kann und darf alles, folgt man einem auf dem Babylon-Klo ausgetauschten Mythos: Diesem zufolge schiffte der technoide DJ einst in einen clubbenachbarten Innenhof und wurde von einem Anwohner freundlich um Unterlassung gebeten, was dieser wiederum mit dem Todschlagargument „Ich bin Sven Väth“ galant zu kontern wusste.

Bejubelt wird er hier trotzdem, genau wie all die anderen DJs und Djanes Solomun, Dixon, Âme, Magda oder Heidi, die sich unaufhörlich in Lobpreisungen ergehen und sich versonnen an legendäre Sets, verschwitzte Partypeople und die oft kopierte LED-Deckenbeleuchtung erinnern. Alles wird hier beklatscht und begrölt, und sei es nur eine 08/15-Kamerafahrt entlang der Bar oder die schönste Erinnerung eines Watergate-Kooperateurs, der seine heutige Verlobte zum ersten Mal auf dem dortigen Disko-Lokus küsste. Sexy.

Nach einer scheinbar endlosen Lawine an Huldigungserklärungen und einer sich kaum variierenden Auswahl an gestochen scharfen Bildern von glücklichen Watergate-Jüngern bleiben am Ende immerhin noch zwei Minuten Zeit, um sich mit Kritik auseinanderzusetzen. Von wegen Mainstream heißt es da, schließlich sei man mit dem angebotenen Programm immer noch meilenweit von David Guetta und Konsorten entfernt und könne sich in Sachen internationale Attraktivität und Trendsetting problemlos neben dem Berghain einreihen. Abschließende Sätze wie „Happy Birthday, Watergate!“ und „Auf die nächsten zehn Jahre!“ versetzen das hier anwesende Publikum noch einmal in ekstatischen Jubel, während die eigenen Hände es schlichtweg verweigern, eine dermaßen penetrante Dauerwerbesendung auch noch mit Applaus zu würdigen. Und weil „Watergate X“ somit nicht mal ein richtiger Film ist, hat hinterher auch keiner Bock auf ein entsprechendes Q&A – allen voran der Regisseur Stathis Klotsikas, der lieber nochmal das gesamte Clubteam auf die Bühne holt und dieser grotesken Farce mit dem Ausruf „PAAAAAARTY“ ein schlichtes, aber in diesem Rahmen durchaus passendes Ende setzt.

Alina Impe