12. filmPolska: „You Have No Idea How Much I Love You“ von Pawel Lozinski



Als Dokumentarfilmer steht man immer vor dem (moralischen) Dilemma was man zeigen kann/soll/darf. Die Fragen, wie weit man beim Filmen von privatem Leben und Intimität gehen kann, welche Verantwortung der Filmemacher dabei trägt und inwiefern die Dokumentation tatsächlich mit Authentizität gleichzusetzen ist haben bereits Krzysztof Kieślowski beschäftigt.
Kieślowski begründete seinen Wechsel zum fiktionalen Spielfilm tatsächlich mit moralischen Bedenken – und der Feststellung, dass die Anwesenheit der Kamera bei Dokumentarfilmen der Authentizität abträglich ist. Łaziński hat keinerlei moralische Bedenken und zeigt seine Protagonistinnen emotional nackt. Das ist bewegend und fesselnd auch wenn am Ende mit der Enthüllung, dass es sich um zwei Darstellerinnen handelt, das Gespräch an Glaubwürdigkeit verliert. Nicht weil es nicht echt und authentisch ist, einfach nur, weil über die gesamte Laufzeit des Films die naive Vorstellung herrschte, es handle sich um eine reale Therapiesitzung. Das Gefühl von Bedrückung, manchmal gar Schuldgefühl, das sich beim Schauen einstellt und das Gefühl von Erleichterung am Ende, dass es sich bei Tochter und Mutter um Darstellerinnen handelte, führen einen gut choreographierten Tango auf.

Tomasz Gralla

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des 4. deutsch-polnischen Programms für junge Filmkritiker_innen und -journalist_innen der 12. Ausgabe von filmPOLSKA.

1 2