30. FilmFestival Cottbus: CAT IN THE WALL von Vesela Kazakova und Mina Mileva


Die Regisseurinnen Mina Mileva und Vesela Kazakova drehten bisher ausschließlich Dokumentarfilme, was man ihrem ersten Spielfilm CAT IN THE WALL, einer bulgarisch-englisch-französischen Koproduktion, deutlich anmerkt. Durch lange Einstellungen und improvisiert wirkende Dialoge entsteht der Eindruck, eine reale Hausgemeinschaft in London-Peckham in ihrem Alltag zu beobachten – und tatsächlich sind kleine Nebenrollen mit echten Nachbar:innen aus dem Wohnblock, der während des Drehs wirklich renoviert wurde, besetzt worden.

Kazakova und Mileva schrieben auch das Drehbuch und produzierten den sozialkritischen Film, der sich nicht nur auf die verschiedenen Menschen in einem Wohnblock konzentriert, sondern auch fast ausschließlich dort spielt, und sich anhand der Hausgemeinschaft Themen wie Migration, Fremdenfeindlichkeit, Klassenunterschieden und Gentrifizierung widmet.

Wenn unter den Menschen mit verschiedensten Zuwanderungsgeschichten Streit ausbricht, auf allen Seiten fremdenfeindliche und klassistische Vorurteile vorherrschen, die Angst vor Gentrifizierung im eigenen Viertel und teuren Zwangsrenovierungen des eigenen Zuhauses zum alltäglichen Begleiter geworden ist, dann bildet die Hausgemeinschaft im Kleinen ab, was sich in der englischen Gesellschaft im Großen abspielt – ein Wohnblock im Südosten Londons als Mikrokosmos, in dem gesellschaftliche Probleme wie unter einem Brennglas hervortreten.

Dabei kann der Streit um den Kater – von Irina und ihrer Familie Goldie getauft, von den Nachbar:innen dagegen Boo – als Metapher für den Brexit und die Diskussion darum verstanden werden, die ewig feststeckte – wie der Kater, der zum Streitobjekt wird, tagelang in seinem Versteck in der Wand ausharrt und trotz guten Zuredens verschiedener Beteiligter einfach nicht herauskommen will. Ein Kater als Symbol für eine gespaltene Gesellschaft in der Sackgasse: Für die einen bedeutet ihr neuer Kater Hoffnung auf eine bessere Zukunft, die anderen wollen mit allen Mitteln ihren alten Kater zurück.

Das FilmFestival Cottbus zeigt CAT IN THE WALL, der 2019 in Locarno im Internationalen Wettbewerb lief, als gemeinsame Deutschlandpremiere mit dem Braunschweig International Film Festival, das im November online stattfand. Beim Sofia International Film Festival wurde der Film 2020 zum besten bulgarischen Spielfilm gekürt, beim Warsaw International Film Festival 2019 gewannen Kazakova und Mileva den FIPRESCI-Preis.

Der tragikomische 90-Minüter kann die Spannung nicht durchgehend halten, wirkt teils etwas sprunghaft und dramaturgisch nicht immer ganz schlüssig, bekommt jedoch durch sein fast dokumentarisches Abbilden realer gesellschaftlicher Probleme Relevanz – und schafft es dabei durchaus, gut zu unterhalten.

Stefanie Borowsky

CAT IN THE WALL, Regie: Vesela Kazakova, Mina Mileva, Darsteller: Irina Atanasova, Angel Genov, Orlin Asenov, Gilda Waugh

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