67. Berlinale: „Helle Nächte“ von Thomas Arslan – Silberner Bär


Tristan Göbel (links) und Georg Friedrich in Thomas Arslan Berlinale Wettbewerbsbeitrag "Helle Nächte". © Schramm Film / Marco Krüger

Tristan Göbel (links) und Georg Friedrich in Thomas Arslan Berlinale Wettbewerbsbeitrag „Helle Nächte“. © Schramm Film / Marco Krüger

Verloren im Nebel

Der Film beginnt mit einer Baustelle in Berlin. Diese Baustelle steht symptomatisch für den Beziehungsstatus der im Film beschriebenen Figuren. Michael ist Bauingenieur und verantwortlich für ebenjene Baustelle. Als er erfährt, dass sein Vater gestorben ist, eröffnet ihm seine Freundin anschließend, dass sie für ein Jahr als Korrespondentin nach Washington gehen wird. Für ihn kommt das einer Trennung gleich. Seine Schwester will ihn zur Beerdigung des Vaters nicht begleiten und so sind es schließlich nur er und sein Sohn Luis, die gemeinsam in den hohen Norden fliegen, dorthin, wo es im Sommer immer hell ist. Hier im Norden Norwegens hat der Großvater, zurückgezogen von Freunden und Familie, seine letzten Jahre verbracht. Hier möchte er auch beerdigt werden. Auch er hatte kaum Kontakt zu seinen beiden Kindern.

Michael ist einer dieser Männer, die nie so richtig gelernt haben, Gefühle wirklich auszudrücken, der komplizierte Fragen überhört und den der Umgang mit Menschen reizt. Er möchte diese Reise nutzen, um sich seinem Sohn Luis ein wenig anzunähern. Luis hingegen wollte nur raus aus der Provinz: „Ich bin nicht wegen dir hergekommen – ich wollte Opas Haus sehen.“

„Helle Nächte“ ist nach „Im Schatten“ von 2010 und „Gold“, den Thomas Arslan 2013 im Wettbewerb der Berlinale präsentierte, sein dritter Versuch einer filmischen Dekonstruktion des Genrefilms. Widmete er sich mit „Im Schatten“ dem Krimi und mit „Gold“ dem Western, nimmt der Regisseur sich in „Helle Nächte“ nun des so genannten Roadmovies an. Im Roadmovie steht die Reise metaphorisch immer auch für eine Suche, meistens nach so etwas wie Selbsterkenntnis, Freiheit oder Identität.
Auch hier befreit Thomas Aslan den Roadmovie von jeglicher Ausschmückung. Im Prinzip ist „Helle Nächte“ nicht mehr, als das, was er verspricht – eine Reise zweier Menschen, die auf der Suche sind. Sie sind hauptsächlich unterwegs, sprechen meistens mehr oder weniger genervt aneinander vorbei und finden weder zu sich selbst noch so richtig zueinander.

Luis ist pubertär und hat keinen Bock auf gar nichts. Michael sucht auf seine spröde Art immer wieder das Gespräch, scheitert jedoch an seiner eigenen Unfähigkeit zur Kommunikation. Und genau darin sind sich diese zwei Menschen eigentlich so ähnlich und doch schrammen sie immer wieder gezielt aneinander vorbei. Luis, gespielt von Tristan Gölbel, der erst vor kurzem in dem ganz anderen Roadmovie „Tschick“ von Fatih Akin zu sehen war, lässt sich zwar noch auf die gemeinsame Autoreise mehr oder weniger ein, auf eine dreitägige Wanderung ohne Auto hat er jedoch ganz und gar keine Lust. Eines Morgens ist Luis verschwunden und Michael irrt, komplett übernächtigt und verzweifelt quer durch das norwegische Grün. Schon längst weiß man nicht mehr so genau, ob es jetzt eigentlich ganz früh am Morgen, helllichter Tag oder mitten in der Nacht ist.
Da streckt es ihn der Länge nach hin ins nordnorwegische Moos. Tiefer kann er jetzt eigentlich nicht mehr fallen. Jetzt kann es nur noch bergauf gehen. Geht es aber nicht.

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