8. BerIin Italian Film Festival: PREDATORI von Pietro Castellitto


Das Leben, ein Scheitern

Nicht mal eine Bombe kriegt er akkurat gezündet. Als Federico als Einziger seiner Studiengruppe nicht mit zur Exhumierung Nietzsches fahren darf, schreitet er zum für ihn einzig möglichen Akt und sprengt Nietzsches Grab in die Luft. Nicht, ohne sich dabei fast selbst den Garaus zu machen. Es sind diese Absurditäten oder törichten Dummheiten, die die meisten Charaktere in I PREDATORI früher oder später begehen oder deren Opfer sie werden.

Pietro Castellitto (Sohn des italienischen Power-Couples Sergio Castellitto und Margaret Mazzantini) lässt in seinem Debütfilm zwei Gesellschaftsschichten aufeinander prallen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Eine in ihren Wohlstandsproblemen verstrickte Bourgeoise und faschistische Proleten und Proletarier, deren teils fatale Entscheidungen einander jeweils berühren beziehungsweise neue Wendungen auslösen. Da ist der eben genannte Nietzsche-Enthusiast, seine cholerisch-herzlose Mutter (Regisseurin), ihr Mann (Chirurg), der sich vor ihr und sich selbst in eine Affäre mit der jungen Frau seines ihn ständig piesackenden besten Freundes rettet – auf der einen Seite. Und auf der anderen Seite zwei tumbe Brüder mitsamt Familienanhang, die den Waffenladen ihres skrupellosen, mafiösen Onkels am Laufen halten. Und dabei auch mal gedankenlos eine Bombe verticken, wenn die ein bisschen Geld in die Kasse spült. Was sie alle teilen, ist die Unzufriedenheit mit dem Leben und der Gedanke, dass ihnen eigentlich ein bisschen mehr zusteht.

Pietro Castellittos Episodenfilm ist lustvoll-launig inszeniert und effektvoll geschnitten. Nicht umsonst erhielt wurde er in Venedig 2020 in der Sektion Horizons mit dem Preis für das beste Drehbuch bedacht. Auch die Besetzung ist sehr gelungen, vor allem Claudio als zum Morden unfähiger Ganove ist mit Giorgio Montanini fantastisch besetzt. Sehr gut unterhalten schaut man zu, wie und wo sich die Familienschicksale wieder überlappen, fragt sich, ob irgendeinem der Charaktere so etwas wie ein bisschen Glück wiederfährt. Dass sich I PREDATORI dabei eher als intelligente Komödie und nicht als scharfzüngige politische Satire ausnimmt, obwohl er vielleicht das Zeug dazu gehabt hätte, ist der einzige Wermutstropfen. Zum Teil mag das tatsächlich am etwas stereotypen, grundunsympathischen Personal liegen, das keinerlei Mitgefühl aufkommen lässt. Zum anderen liegt es vielleicht an der unentschiedenen Haltung des Regisseurs, seinen Film auf der einen Seite politisch durch den Klassenkonflikt aufzuladen, ihn aber auf der anderen Seite einer gesellschaftlich-aktuellen Ebene zu entledigen: I PREDATORI wirkt zuweilen seltsam zeitlos. Wenn man davon jedoch absieht, entdeckt man eine interessante neue Stimme im italienischen Filmkosmos, die leichtfüßig und humoristisch zu erzählen weiß.

Marie Ketzscher