„A girl walks home alone at night“ von Ana Lily Amirpour



A girl walks home alone at night“ hat als Protagonisten die junge Sheila Vand in der Rolle des Vampirs und den in Hamburg lebenden Arash Morandi als Arash. In Haltung und Aussehen erinnert Arash an James Dean, auch die kunstvoll arrangierte Frisur versetzt einen zurück in die Mode und Ästhetik der 1950er Jahre. Doch der Zuschauer fühlt sich weniger in der Vergangenheit, als in einer phantastischen Parallelwelt, die einer eigenen Dynamik folgt. Abgesehen von wenigen Schockeffekten, wenn die Vampirin ihre Opfer angreift, und der unangenehmen Szenen, in denen sich Arashs Vater Heroin spritzt, ist „A girl walks home alone at night“ ein ruhiger Film.

Spannung baut der Film durch Musik auf. Sie widerspiegelt die Gefühle der verschiedenen Figuren, die in dem dialogarmen Film auf andere Weise keinen Ausdruck finden. Es sind mehrheitlich arabisch-sprachige Lieder mit einem halb elegischen, halb rockigen Rhythmus, die durch die bevorzugt verwendeten Blasinstrumente an Musik aus dem Balkan erinnern. Die Musik entwickelt eine starke Suggestionskraft, die den Zuschauer einlullt und seine Gedanken fortträgt.

A girl walks home alone at night“ hat auch komische Komponenten. Als die Vampirin und Arash aufeinandertreffen, steht letzterer unter Drogen, er sieht selbst einem Vampir ähnlicher als sie, denn er starrt in die Straßenlaterne, seine Augen sind weit geöffnet und er schwingt mit seinem Draculaumhang herum. Er wendet sich an die junge Frau und versichert ihr, dass er sie nicht verletzen wolle, wo doch eigentlich eher er gefährdet ist.

Als dramaturgischen Kunstgriff setzt der Films eine Katze als roten Faden ein. Arash nimmt die ausgesetzte Katze zu sich, sie reagiert duldsam im Männerhaushalt, auch wenn der Vater im Rausch der Entzugserscheinungen die Katze als Inkarnation seiner verstorbenen Ehefrau sieht und sie jagt. Die Katze begleitet schließlich Arash in ein neues gemeinsames Leben mit der jungen Frau. Das Tier macht zwar keinen Mucks, doch seine ständig aufgesperrten Augen scheinen zu zeigen, dass die Ereignisse nicht spurlos an ihm vorbei gehen.

Die Entscheidung, den Film schwarz-weiß zu drehen, ist entscheidend für seine Wirkung. Dadurch erscheint alles noch mehr der Realität entrückt. Der Blick des Zuschauers schweift zudem nicht ab, seine Konzentration ist gebannt, zumindest meistens, denn einzelne Szenen wirken doch zu lang. Eine gewisse Straffung hätte dem Film gut getan, so wären auch die recht harten Schnitte noch besser zur Geltung gekommen.

Regisseurin Ana Lily Amirpour.

Regisseurin Ana Lily Amirpour.

Regisseurin Amirpour hat sich eindeutig von „Only Lovers Left Alive“ von Jim Jarmusch inspirieren lassen. Obwohl in Farbe gedreht, fällt Jarmuschs Film formal radikaler aus, wohl sind bei ihm die Szenen langgezogen und der Rhythmus sehr gemächlich, doch schleicht sich nie Langeweile oder Ungeduld ein. Die beiden Filme haben die wichtige Rolle der Musik gemeinsam. In beiden Fällen ist der Zuschauer mit einer anderen Art von Vampir konfrontiert, mit dem er durchaus sympathitisiert, da er Geschmack beweist und trotz seiner Neigung zum Töten auch Empathie für bestimmte Menschen empfindet.

Gedreht wurde entgegen der Anmutung nicht etwa im Iran, sondern in den USA. Das verwundert nicht, denn der Film hätte wohl große Schwierigkeiten mit der iranischen Zensur bekommen. Dies liegt nicht nur am fantastischen Thema des Vampirismus, sondern auch am offensichtlich feministischen Anspruch des Films. Ein ähnlicher Erfolg, wie ihn die Filme des Iraners Asghar Farhadi erzielen, die durchaus politische Zugeständnisse machen und dessen „Nader und Simin – eine Trennung“ 2011 bei der Berlinale den Goldenen Bären gewann, ist für „A girl walks home alone at night“ wohl nicht zu erwarten. Dafür ist er auf der formalen Ebene zu stilisiert und die Handlung zu reduziert.

Teresa Vena

A girl walks home alone at night„, Regie: Ana Lily Amirpour, Darsteller: Sheila Vand, Arash Marandi, Marshall Manesh, Kinostart: 23. April 2015, DVD-Start: 28. August 2015

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