„All is Lost“ von J.C. Chandor


Robert Redford: Der alte Mann und das Meer. Foto: SquareOne / Universum Film / Daniel Daza

Robert Redford: Der alte Mann und das Meer. Foto: SquareOne / Universum Film / Daniel Daza

Nur die Harten komm’n in’n Garten

Ein Mann, ein defektes Boot und die Unendlichkeit des indischen Ozeans, 17.000 nautische Meilen südwestlich der Sumatrastraße. Aus dem Off die vermeintlich letzten Worte eines Mannes. „13. Juli, 4.50 pm: I’m sorry. […] I fought to the end. […] I will miss you.“ Ein Abschiedsbrief, der mit der Flaschenpost über Bord geht.

Der offenen See ausgeliefert, ist der Einzelne hier dazu verdammt, sich den Naturgewalten zu beugen. Ertragen, Durchhalten, Weitermachen und Überwindung sind das Los der Stunde. Und in stoischer Ruhe erträgt er, der Namenlose, „Our Man“ wie J.C. Chandor das Sinnbild eines Mannes in seinem Drehbuch simple nennt.

Nach seinem dialogreichen Spielfilmdebüt „Margin Call“ bringt J.C. Chandor nun mit „All is Lost“ eine Art Action-Stummfilm auf die Leinwand, wobei die Bezeichnung „Action“ hier weniger im ausgestellten und oft maßlos über die Strenge schlagenden Blockbuster-Kontext verstanden werden sollte. Die schier ausweglos erscheinende Situation für den Protagonisten und die sich aufbäumende Urkraft Mutter Naturs höchst selbst liefern den aufwühlenden Adrenalinkick, der den Zuschauer wie schon bei Gravity in die Sessel pressen sollte. Sie, die Herrin der Meere, entfesselt einen uralten Kampf Mann gegen Natur und Mann gegen das Selbst.

Ein Boot treibt auf offener See, unter Deck ein schlafender Mann. Wasser steht im Schiffsrumpf. Wellen schlagen gegen das Bug und dringen Backbord durch ein – von einem im Meer treibenden Container – gerissenes Loch ins Innere des Bootes. Geweckt vom Geräusch der Wellen und dem kniehohen Wasser im Bootsbauch beginnt der souveräne Überlebenskampf eines kontrollierten und an Selbstbeherrschung kaum zu überbietenden Mannes, der seine Ressourcen nicht an Panikattacken verschwendet. Er, „Our Man“, gespielt von Robert Redford, ist ein Beißer, einer, den nichts so schnell aus der Ruhe bringt, den keine noch so große Katastrophe aus der Balance bläst. Wo andere die Verzweiflung lähmt, arbeitet der auratische Alterweise souverän seine durchdachten Schritte ab, ohne jede Hektik oder erlebbare Unruhe. Beeindruckend, wie selbstverständlich das Leben und der Kampf ums Überleben für diesen Mann sind. Kein Hadern, keine Zögern, nur ein simples „Fuck“ – in Mann ein Wort – gen Himmel gerichtet, drückt die Verzweiflung eines Menschen aus, der sich der unausweichlichen Frage stellen muss, wann ist es Zeit loszulassen, wann ist der Zeitpunkt gekommen, den Tod zu akzeptieren.

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