„Aus dem Leben eines Schrottsammlers“ von Danis Tanovic
Authentisches Sozialdrama
Winter irgendwo in Bosnien-Herzegowina. Die Mutter ist mit den beiden kleinen Töchtern zu Hause, der Vater schlachtet alte Autos aus und verkauft das Metall an einen Schrotthändler, sichert so das ärmliche Leben der vier. Mutter Senade ist schwanger. Als sie schlimme Bauchschmerzen bekommt, fährt die ganze Familie in die Klinik. Dort erfahren sie: „Das Baby ist tot.“ Für Senade droht Lebensgefahr, doch sie hat keine Versicherung und die dringend notwendige OP kann die Familie nicht bezahlen. Alles Betteln und Flehen des verzweifelten Vaters Nazif hilft nichts, auch sein Angebot einer Ratenzahlung wird abgelehnt. Die Familie wird nach Hause geschickt. Es beginnt ein Zeitlauf gegen das drohende Unheil.
Diese Geschichte ist echt – Nazif, Senada und die zwei Töchter Sandra und Semsa spielen sich selbst und, wie der Titel schon sagt, eine Episode aus ihrem Leben. Ein beeindruckender Blick in eine fremde Welt. Ganz nah ist man an der Roma-Familie dran, leidet mit Senada mit, wenn sie sich auf der Couch zusammenrollt und sich ihrem Schicksal, dass ihnen sowieso niemand helfen wird, hinzugeben scheint. Leidet mit Nazif, der so unermüdlich versucht, das Beste für seine Familie zu tun, und, selbst als sie wieder und wieder von den Ärzten abgewiesen werden, nie seine Stimme erhebt. Der Zuschauer merkt dem Paar an, dass es schon so viel Schlechtes erfahren hat, dass es nicht viel von anderen erwartet. Sie wollen nur ihr kleines, bescheidenes Leben führen. Daneben sieht man die liebevolle Art, wie beide miteinander und mit ihren wilden, fordernden kleinen Töchtern umgehen, den kollegialen Zusammenhalt unter den Nachbarn. Man wünscht dieser Familie ein besseres Leben und hofft, dass diese verfilmte Episode ihres Lebens dafür sorgen wird.
Die Auszeichnung mit gleich zwei Bären bei der diesjährigen Berlinale – Großer Preis der Jury und Silberner Bär für den besten Hauptdarsteller – wird auf jeden Fall dafür sorgen, dass „Aus dem Leben eines Schrottsammlers“ und der großen Geschichte dahinter viel Aufmerksamkeit zu Teil wird. Das rechtfertigt auf jeden Fall die doppelte Auszeichnung. Trotzdem und trotz aller Sympathie für Nazif Mujic ist die besondere Beachtung dieses Sozialdramas bei der Bärenvergabe auch ein Zeichen dafür, dass die Konkurrenz dieses Jahr vor allem unter den männlichen Hauptdarstellern nicht besonders stark war.
Verena Manhart
„Aus dem Leben eines Schrottsammlers“ (An Episode in a Life of an Iron Picker) Regie/Drehbuch: Danis Tanovic, Darsteller: Senada Alimanović, Nazif Mujić, Sandra Mujić, Semsa Mujić, Kinostart: 10. Oktober 2013