Berlinale Filmkritik: “Nuoc 2030” von Nguyen-Vo Nghiem-Minh


"Nuoc 2030": Wo das Wasser herrscht, ist das leben armselig. Foto: Berlinale

„Nuoc 2030“: Wo das Wasser herrscht, ist das Leben armselig. Foto: Berlinale

Auf Stelzen gebaut

Die Menschenheit ist auf dem Rückzug. Das Leben im Jahr 2030 mutet ärmlich an. Die urbane Ödnis aus Glas und Beton, die unsere Jetztzeit kennzeichnet, ist einer Wasserwelt gewichen. Häuser, gleich winzigen Archen, sind der neue Standard, das Zentrum täglicher Wirklichkeit. Einmal mehr ist das Meer Lebensraum, Nahrungsquelle und Gegner in einem.

Ausgelöst hat dieses Szenario die globale Erderwärmung. Die Weite, die der Beobachter in Zentimetern auf der Leinwand zu entdecken glaubt, wird nur gebrochen durch die letzten Reste des städtischen Südvietnams – monströse und karge Fragmente einer Stadt erscheinen ab und an am Horizont. Sonst ist das Land überflutet. Das elektrifizierte, vernetzte Leben ist verstummt, es ist dem leisen, friedvollen Plätschern des Wassers gewichen. Oder dem dräuenden Tosen des Sturms. Geblieben ist damit die Trostlosigkeit der Weite und die Endlichkeit der Oberfläche.

Die wenigen Bewohner leben jetzt in Holzhäusern, die auf Stelzen aus dem salzigen Wasser ragen. Zwei davon sind Sao und Thi, die sich mit dem Faktum Wasserwelt arrangiert haben und kärglich von ein paar Fischen und Grünpflanzen leben, die sie auf ihrem kleinen Lebensraum anpflanzen.

Doch der Mord an ihrem Ehemann Thi wirft Sao aus diesem trostlosen Lebenskonzept. Sie folgt Spuren und Erinnerungen und begibt sich auf eine Reise, die sie zu ihrer ersten Liebe und zu einem Komplott gegen die Menschheit führen wird – einem multinationalen Konzern, der aus ökonomischen Interessen Nahrungsmittel produziert, die letzten Endes nichts weiter als toxische Happen sind.

Nuoc 2030“ ist kein klassisches Science-Fiction-Drama, obwohl Regisseur Nguyen-Vo Nghiem-Minh mit dystopischen Momenten arbeitet – und nicht zuletzt mit biblischen Referenzen, da er die Welt versinken lässt und seine Geschichte auf zwei Personen (Adam und Eva) aufbaut. Sao (Eva) ist letztlich diejenige, die einen Aufbruch wagt und ihr „Paradies“ damit zwangsläufig räumen muss.

Nguyen-Vo Nghiem-Minhs Film ist alles in allem ein filmischer Hybrid, der mit christlicher Folklore arbeitet, zeitgemäße Problemstellungen und menschliche Abgründe hinzufügt und überspitzt und das alles in poetische, manchmal traumhafte Bildabfolgen übersetzt – dabei aber nicht all zu sehr ins Pythische abrutscht.

Martin Daßinnies