„Snowpiercer“ von Bong Joon-ho


Foto: Courtesy of Snowpiercer Ltd.

Tilda Swintons verschrobener Maggie Thatcher-Verschnitt fordert die dritte Klasse mehr als einmal auf, im hinteren Abteil zu bleiben. Foto: Courtesy of Snowpiercer Ltd.

Immer nur nach vorn

Das Mittelalter kannte noch die überschaubare Gesellschaftsordnung. In Europa sah diese wie folgt aus: Der erste Stand umfasste die Kleriker, die der Welt den Sinn auferlegten. Den Zweiten teilte der Adel unter sich auf. Der dritte Stand umfasste Bürger und Bauer, wenn möglich frei. Ein Aufstieg innerhalb der Ordnung war nur in den ersten beiden Ständen möglich. Ein Bauer blieb stets das, was er war: der Arbeiter auf dem Feld. Die Welt sieht heute anders aus. Die virtuelle Organisation lässt vielerlei individuelle Möglichkeiten zu. Nicht immer ist das zum Wohle der Allgemeinheit. Die Globalisierung hinterlässt ihre Fratze auch im letzten Winkel der Erde. Auch der Glaube an ein Ende der Welt ist heute vielschichtiger als noch vor einigen Jahrhunderten. Die Dystopien sind mit der Technisierung der Lebenswelt nicht verschwunden. Der Glaube an den Fortschritt, die Heilung von Armut und Elend durch die Ökonomisierung des Alltags ist damit immer auch geprägt vom Denken an das allgemeine Ende.

In Bong Joon-hos „Snowpiercer„, der auf der französischen Graphic Novel  „Le Transperceneige“ von Jacques Lob, Benjamin Legrand und Jean-Marc Rochette basiert, scheitert die Menschheit am Glauben, komplexe Probleme mit einfachen Mittelen zu beseitigen. Eine Chemikalie wird in der Atmosphäre freigesetzt, die die Welt vor der Überhitzung schützen soll. Sie bewirkt aber das Gegenteil – eine neue Eiszeit. Die Menschheit, wie auch alles andere, stirbt, der klägliche, humane Rest hängt in einem Zug fest, der sich durch die ewige Eishölle kämpft.

Das Ende der Menschheit bringt stets auch einen Rückschritt mit sich, so denn etwas die Apokalypse überlebt hat. In diesem Fall ist das nicht die Technik, der Zug funktioniert perfekt, es ist die soziale Ordnung, die im Zug ganz ähnlich wie im Mittelalter funktioniert – nur horizontal statt vertikal. In den hinteren Abteilen vegetiert die dritte Klasse, die sich von glibbrigen Proteinriegeln ernähren muss. Die Mitte schwelgt im Luxus und labt sich an Dampfbädern, knackigem Gemüse und frischem Fisch. Vorn in der Zugmaschine steckt die Ideologie, herrlich patriarchal von Ed Harris verkörpert.

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