„Familienfieber“ von Nico Sommer


Wann wird aus Liebe Langeweile fragt Regisseur Nico Sommer mit "Familienfieber". Foto: achtung berlin

Wann wird aus Liebe Langeweile fragt Regisseur Nico Sommer mit „Familienfieber“. Foto: achtung berlin

Liebestöter: Alltag

In Deutschland wird derzeit jede dritte Ehe nach durchschnittlich 15 Jahren geschieden. Zu diesem Zeitpunkt sind die Kinder aus dem Gröbsten raus, das Haus ist abbezahlt, die Routine hat das Leben zu zweit fest im Griff. Wer trotzdem mit seinem Partner zusammenbleibt, hat meist andere Gründe als den bloßen Glauben an Romantik oder durch Kitschfilme internalisierte Ewigkeitsversprechen: Gewohnheit, finanzielle Abhängigkeit und die Angst vor dem Alleinsein sind oftmals der stärkste Superkleber in Langzeitbeziehungen. Das klingt zynisch und bitter, ist aber leider nun mal so. Natürlich gibt es sie trotzdem, die wenigen Paare, die vor lauter Kinderkriegen, Häuserbauen, Wäschewaschen und Wochenendeinkäufe erledigen nicht vergessen haben, was sie ursprünglich zusammengeführt hat. Die wissen, dass aus dem L in Liebe und Leidenschaft ganz schnell Langeweile werden kann. Und dass die Verhinderung dessen eine Lebensaufgabe ist.

Nach ganzen 17 Jahren hat sich die Ehe von Uwe und Maja von einstiger romantischer Zweisamkeit in eine weitgehend asexuelle Zweckgemeinschaft verwandelt. Zu Beginn von „Familienfieber“ sitzt Uwe nackt auf der Toilette und verrichtet sein großes Geschäft, während Maja direkt daneben steht. Die darf den Haufen im Klo hinterher auch noch wegspülen. Aber Uwe ist kein schlechter Ehemann. Kochen, Betten machen, Staubsaugen – im Hause der Familie Roth sind die Aufgaben gerecht verteilt. Dass Maja seit Monaten eine Affäre mit ihrem Chef Stefan hat, ahnt Uwe nicht. Das wird bald auffliegen. Maja und Uwe sind bei ebenjenem Stefan und seiner Frau Birgit eingeladen, den Eltern des neuen Freundes ihrer Tochter Alina. Eine äußerst unschöne Konstellation. Außerdem ist Alina auch noch von Lucas schwanger. Das weiß aber im Moment auch noch keiner.

Nico Sommer ist ein junger Filmemacher. „Familienfieber“ ist nach seinem hochgelobten Spielfilmdebüt „Silvi“ die zweite abendfüllende Produktion, in der er sich trotz seines jungen Alters zum wiederholten Male mit dem Lieben, Leben und Leiden der Generation 40+ befasst. Während in „Silvi“ die Protagonistin direkt zu Beginn des Films von ihrem Mann verlassen wurde, stehen in „Familienfieber“ nun auch die Ehen der beiden Elternpaare gefährlich auf der Kippe.

Weiterlesen: Unsere Filmkritik zu „Silvi“ von Nico Sommer

Die Affäre von Stefan und Maja ist dabei als Konsequenz von jahrelanger Monotonie und eingeschliffenen Verhaltensweisen allerdings nur die Spitze des Eisbergs, denn der Frust hat sich bei allen Parteien aufgestaut. Zu lange dominierte das Gezanke um Alltagsbanalitäten die Kommunikation, zu lange liegt die Zeit zurück, als nicht nur ein Dokument vom Standesamt und ein gemeinsames Girokonto von lebenslanger Verbundenheit zeugten. Aus Liebe ist Langeweile geworden.

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