Filmtipp: „Sommer der Gaukler“


Foto: Meike Birck/ gff sued / Movienet Film

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Der bayrische Regisseur Marcus H. Rosenmüller nimmt sich in seiner Verfilmung von Robert Hültners Romanvorlage „Sommer der Gaukler“ das Leben von Schauspieler, Regisseur und Theaterdirektor Emanuel Schikaneder vor. Ergebnis ist ein moderner Kostüm- und vor allem Heimatfilm, der oft die Grenze des Klamauks streift.

Im Sommer des Jahres 1780 machen sich Emanuel Schikaneder (Max von Thun) und seine Schauspielertruppe um seine Frau Eleonore (Lisa Maria Potthoff) und seinen Star Wallerschenk (Nicholas Ofczarek) auf, die bayrische Heimat zu verlassen, um in Salzburg endlich vor dem großen Leopold Mozart und dessen Sohn Wolfgang zu spielen. Denn trotz seiner Bekanntschaft zu Schikaneder lassen sich die Mozarts standhaft nicht bei deren Vorführungen blicken. Auch die Bischofsstadt empfängt den narzisstischen Schikaneder und sein Gefolge nur mit verschlossenen Türen. Die notwendige Spielerlaubnis bleibt ihnen verweigert, weshalb dem stetig an der Grenze zur Pleite wandelnden Ensemble nur die Rückreise bleibt. Schikaneder, mehr hedonistischer Popstar denn Impresario, lässt sich von dem neuerlichen Nackenschlag nicht aufhalten und beschließt in einem nahen Bergdorf nicht nur auf die Erlaubnis zu warten, sondern dort sogar aufzutreten, um den Unterhalt für sich und die Seinen zu verdienen. Ein gewagtes Unterfangen, schlägt ihnen in dem Arbeiterdorf doch offen die Ignoranz der Bewohner entgegen, der die Künstler wiederum ihrerseits mit Arroganz begegnen.

Eben jenes gestörte Verhältnis zwischen Kunst und Volk will Schikaneder überwinden. Im Sinn hat er ein „Weltentheater“ – allerdings lässt die nötige Inspiration für ein geeignetes Stück nun doch schon sehr lange auf sich warten. Der Schreibblockade kess trotzend, lässt er sich gehen, bis das Ende unausweichlich scheint. Einzig seine Frau Eleonore vertraut weiter auf das Genie des Gatten. Sie soll Recht behalten. In eben jenem kargen Bergdorf begehren die Bergarbeiter gegen den Bergwerksbesitzer Paccoli (Erwin Steinhauer) und seinen garstigen Vorarbeiter (Christian Lerch) auf, als sich zum wiederholten Mal ein Unfall wegen der morschen Tunnelbauten ereignet. Ihr Anführer soll ausgerechnet der brave Vester (Maxi Schafroth) sein, nachdem der dem Vorarbeiter versehentlich eine verpasst hat.

Während Vester eher die Liebe zu Paccolis Tochter Babette (Anna Maria Sturm) umtreibt, steigt er ungewollt zum Heilsbringer auf – für die Arbeiter und für Schikaneder, der das dramatische Potential in ihm erkennt. Ein Held ist geboren, auf und neben der Bühne. Ein Held, wie ihn sich das Volk und die Kunst gleichermaßen wünschen. Ein Held, der Vester aber nicht sein will.

Foto: Meike Birck / gff sued / Movienet Film

Foto: Meike Birck / gff sued / Movienet Film

Getrieben von den beiden Handlungssträngen, um die beiden ungleichen Protagonisten Schikaneder und Vester, galoppiert der „Sommer der Gaukler“ auf seine Zielgerade zu, wo sich das mühsam und liebevoll gesponnene Beziehungsgeflecht der Figuren Rosenmüllers in einem erlösenden letzten Akt auflösen wird. Er inszeniert das Theater als Leben und nicht nur das Leben als Theater, was sich in der filmischen Umsetzung zeigt, wo Theaterelemente die Handlung des Films (unter-)brechen. Rosenmüller wagt es Grenzen zu verrücken, Genre zu verwischen, zu überraschen. Er mutet seinen Zuschauern eine hohe Flexibilität zu, wenn er – wie im „Sommer der Gaukler“ – einen dramatischen Moment durch eine Musical-Einlage ablöst.

Auf seinen an den Kinokassen sehr erfolgreichen „Sommer in Orange“ lässt der bayrische Regisseur Marcus H. Rosenmüller nur wenige (Start-)Wochen später den „Sommer der Gaukler“ folgen. Seit ihm 2006 der Durchbruch mit dem bezaubernden „Wer früher stirbt, ist länger tot“ gelang, jagt ein Rosenmüller-Film auf den nächsten. Gemein haben die Werke den Umgang mit Rosenmüllers Heimat Bayern, was ihm den Ruf eines modernen Heimatfilmers einbrachte. Allerdings kann Rosenmüller deutlich mehr, als „nur“ Filme in Mundart drehen, was schließlich nur eines, aber sicher das hervorstechende Merkmal seines Wirkens ist. Vielmehr fasziniert seine beinahe kindliche Freude am Inszenieren mit verschiedensten Stil- und Genre-Elementen. Sein Schaffen polarisiert fraglos. Er wird sicher weder jeden an der Kinokasse, noch im Feuilleton überzeugen, doch Rosenmüller hat eine eigene Handschrift entwickelt, womit er deutlich aus der breiten Schar hiesiger Regisseure heraus sticht.

Denis Demmerle

Sommer der Gaukler, Regie: Marcus H. Rosenmüller, 105 min., Deutschland, 2011; mit Max von Thun, Lisa Maria Potthoff, Nicholas Ofczarek, Maxi Schafroth