„Hirngespinster“ von Christian Bach
Regisseur Christian Bach entspinnt um die Krankheit herum einen Mikrokosmos, der zeigt, was diese mit der Familie um den betroffenen Menschen herum macht. In „Hirngespinster“ ist es Simon, der in den Konflikt mit sich selbst gedrängt wird, da er zwischen dem eigenen Leben, der jungen Liebe und der Verantwortung für die Familie scheinbar wählen muss, da die Pole miteinander unvereinbar wirken. Bach zeigt Mutter Elli, die beinahe stoisch pragmatisch nach Lösungen sucht, wie das Gebilde aufrecht zu erhalten ist, das sie mit aufgebaut hat. Die Liebe zu Hans verblasst nicht, trotz der Schmähungen, der Wut und des Ärgers. Es muss einfach weitergehen, immer weiter. Selbst Hans spürt, dass mit ihm etwas nicht stimmt und doch verweigert er, sich eine Krankheit einzugestehen oder gar Medikamente zu schlucken, um diese zu bekämpfen.
Das bemerkenswerte Familiendrama hat seine stärksten Momente im Widerspiel von Vater und Sohn, dem Aufeinandertreffen der beiden großartigen Schauspieler Moretti und Nay. Morettis von Schizophrenie getriebene Attacken, in denen der sich austoben darf und so trotz des bitter ernsten Hintergrundes wahnsinnig komische Momente entwickelt, funktionieren herausragend. Wenn er etwa dem aufgebrachten Nachbarn mit einem süffisanten „Knusper, Knusper, Knäuschen“ entgegen tritt, nachdem er ihn beschimpft hat und diesen so fassungslos zurücklässt. Doch erst der junge Nay, der ihm mit reduzierten, kleinen Gesten und Minenspielen genau so souverän begegnet, wie als wilder Furor, der gegen den Vater, aber noch mehr die eigenen Umstände aufbegehrt, die sein Leben von klein auf begleiten und doch nie Normalität sein können, vollendet das Familiendrama. Bach gewährt empathisch Einblicke in ein Leben, das jeden überfordern muss – nicht nur den Erkrankten, sondern auch jeden um ihn herum.
Denis Demmerle
„Hirngespinster„, Regie: Christian Bach, DarstellerInnen: Tobias Moretti, Jonas Nay, Stephanie Japp, Hanna Plaß, Ella Frey, Stefan Hunstein, Johannes Silberschneider, Michael Kranz, Joachim Nimtz, Kinostart: 9. Oktober 2014