International Film Festival Rotterdam 2021: FRIENDS AND STRANGERS von James Vaughan


James Vaughan, selbst ein Millennial, der das Drehbuch schrieb, Regie führte und für den Schnitt verantwortlich zeichnet, erzählt in nur lose miteinander verbundenen Episoden von Ray und Alice, im weiteren Verlauf des Films dann nur noch von Ray. Dieser scheint auch beruflich kaum Ambitionen zu besitzen, verdient offenbar Geld mit Hochzeitsvideos und wird immer wieder in neue absurde Situationen und unangenehme Missverständnisse verwickelt, aus denen ihn oft nur noch seine Mutter Carol (Jacki Rochester) retten kann.

Nachdem Vaughans Kurzfilm YOU LIKE IT, YOU LOVE IT, unter anderem auf der Berlinale 2013 in der Sektion Generation lief, darf er FRIENDS AND STRANGERS nun als Weltpremiere in der Tiger Competition auf dem International Film Festival Rotterdam 2021 präsentieren. James Vaughan gelingt es in seinem keinem klassischen Erzählmuster folgenden ersten Langfilm, in Inhalt und Form die Ziellosigkeit seiner Protagonist:innen einzufangen, die sicher für nicht wenige Mittzwanziger:innen genauso typisch ist wie die permanente Jagd nach Sinnhaftigkeit – oder doch eher nach immer neuen, möglichst instagramtauglichen Erlebnissen. Vor dem Hintergrund vieler atemberaubender, artifiziell anmutender Landschafts- und Stadtaufnahmen – gedreht in den (ehemaligen) Territorien der Eora und der Ngunnawal und in Sydney – wirken Ray und Alice wie Puppen, hineingeworfen in eine Welt, zu der sie keinen richtigen Kontakt aufbauen können und in der sie sich nicht zurechtfinden.

Über allem liegt eine Gleichgültigkeit, die Lauren (Poppy Jones), ein Mädchen, mit dem Alice am Strand beim Campingplatz ins Gespräch kommt, auf den Punkt bringt. Lauren sagt, sie reise mit ihrem Vater durchs Land, „but it’s all the same“. Nichts scheint wirklich zu zählen, alles bleibt vage. Wahre Freundschaften, Beziehungen, Nähe oder tiefgründige Gespräche mit Freund:innen oder Fremden entstehen nicht. Begegnungen mit anderen Menschen laufen zwangsläufig auf Situationen hinaus, die das englische Adjektiv „awkward“ wohl am besten beschreibt. Jede:r kreist um sich selbst. Als Lauren fragt, ob Ray und Alice zusammen seien, erwidert Alice, Ray sei nur ein Freund aus Sydney. „We don’t really know each other.“

Stefanie Borowsky

FRIENDS AND STRANGERS, Regie: James Vaughan. Darsteller:innen: Fergus Wilson, Emma Diaz, Jacki Rochester, Poppy Jones, Victoria Maxwell, Greg Zimbulis, David Gannon, Jayden Muir

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