„Keep The Lights On“ von Ira Sachs


"Keep The Lights On": Zwischen Umarbung und auseinanderbrechen. Foto: Christophe Husson

"Keep The Lights On": Zwischen umklammern und auseinanderbrechen. Foto: Christophe Husson

Auf dem Drahtseil

Zwei Männer treffen sich. Eine Anziehung, aus der schnell mehr wird. Eric (wunderbar: Thure Lindhardt), der Filmemacher aus Skandinavien und Paul (Zachary Booth), soft-spokener Anwalt mit scheuem Blick. Da ist es schon klar: Diesem Dänen mit den großen, hungrigen Augen vermag sich Paul nicht zu entziehen. Dabei ist er zu diesem Zeitpunkt noch mit einer Frau zusammen, aber das ist schnell vergessen. Ihre Wege kreuzen sich im New York der späten 90er Jahre. Sie werden ein Paar. Und Arthur Russell singt zu seinem Cello, dass man auf der Stelle sterben möchte, so schön ist es. Geht es nach Regisseur Ira Sachs, singt Russell in „Keep The Lights On“ auch für diese junge Liebe, dieses unerhörte Glück. Weiß man um Biographie und Werk des 1992 an Aids verstorbenen Musikers, ist die Tragik zwischen Eric und Paul von den ersten Klängen an präsent. Hymnen auf Liebe und Leben, mächtig und gleichsam fragil, schmerzlich, weil Endlichkeit auf jeder Saite des Instruments liegt. So ist Sachs Portrait einer, gelinde gesprochen – turbulenten, Partnerschaft von den ersten Momenten an mit dem eigenen Scheitern annektiert. Aber das ist nur die nüchterne Draufsicht auf eine Dekade zwischen Kampf und Hoffnung, von der Sachs in „Keep The Lights On“ in zärtlich-brutalen Bildern erzählt.

Drei Konstanten sind es, die das Leben der beiden Männer bestimmen: Sucht und Zuversicht, dazwischen der Kleister – Liebe, natürlich, möglicherweise die wahre und nur erkennbar für alle, die entschieden an sie glauben. Drei Säulen also, jede oft nicht leicht von der anderen zu unterscheiden. Stümpfe, auf denen das Paar manchmal gemeinsam steht, aneinander festklammernd, damit niemand fällt. Dann wird die Umarmung zu eng und die Gemeinschaft birst auseinander. Verursacher der Bruchstelle ist meist Paul, der neben Eric noch eine andere Beziehung pflegt. Eine zugegeben reichlich abgedroschene: Crack. Was als heimliches Dunkel beginnt und fortan in überwältigendem Sex mündet, manifestiert sich mehr und mehr als Sackgasse, die zur Katastrophe wird. Tatsächlich ist es ziemlich egal, was Paul konsumiert. Sachs geht es um die Droge als Gegenspieler. Das Abgründige als Kontrahent und Saboteur, das eine dauerhafte Verbindung immer wieder aufs Neue unmöglich macht.

Dieses Ringen erfolgt in „Keep The Lights On“ über zwei Stunden. Schön anzusehen ist das nicht. Wenn Paul für Tage verschwindet, bei einem Finanzier abtaucht und sich von diesem ficken lässt, während Eric ihm die Hand hält. Da ist der unerschütterliche Glauben Erics an eine Heimkehr kaum zu ertragen. Gelegentlich gelingt die Flucht aus der Abhängigkeit, um kurz darauf nur mit verstärkter Wucht alles zu erschlagen, was in der Zwischenzeit behutsam zurückerobert werden konnte. Dass Sachs das Bedienen diverser Klischees zeitweise etwas zu wenig fürchtet, mag dem ein oder anderen aufstoßen. Als Film, der in erster Linie Dokumentation eines Feldzuges ist – gegen die Haltlosigkeit und für die Ankunft, erhebt sich „Keep The Lights On“ leicht über etwaige Drehbuchschwächen.

Carolin Weidner

Keep The Lights OnRegie: Ira Sachs, Darsteller: Paprika Steen, Thure Lindhardt, Souleymane Sy Savane, Zachary Booth, Julianne Nicholson, Kinostart: 25. Oktober