„Medianeras“ von Gustavo Taretto

Einsame Großstädter

Seit ihn seine Freundin verlassen hat, lebt der 29-jährige Webdesigner Martin zurückgezogen in seinem Ein-Zimmer-Appartment. Die meiste Zeit verbringt er im Internet. Dort bekommt er alles, was er braucht: Musik, Filme, Essen und sexuelle Befriedigung. Ohnehin würde der junge Mann seine Wohnung nur mit einem für alle Notfälle vorbereiteten Rucksack verlassen. Direkt gegenüber wohnt die gleichaltrige Mariana, eine ausgebildete Architektin, die sich mit dem Dekorieren von Schaufenstern über Wasser hält. Mariana hat große Angst vor Menschenmengen, Fahrstühlen und führt eine äußerst innige Beziehung mit einem Pappmaché-Mann. Auf dessen Stirn klebt ein Post-it mit der Aufschrift „Wie war dein Tag?“

Mit viel Esprit, Bildwitz und Erfindungsreichtum erzählt Gustavo Taretto in „Medianeras“ von einsamen Großstadtmenschen im digitalen Zeitalter. Martín und Mariana leben in derselben Straße in Buenos Aires und von der ersten Minute an ist klar, dass sie es verdient haben sich zu finden. Doch sie bringen Jahre damit zu, es nicht zu tun. Immer wieder begegnen sie sich und laufen – so will es die Tragik des Zufalls – unwissend aneinander vorbei. Ganz behutsam schält Taretto aus den kühlen Mauern der argentinischen Hauptstadt die beiden Einzelschicksale heraus, lässt sie aus dem Off ihr Leben kommentieren und begleitet sie in die Zurückgezogenheit ihrer kleinen Appartements. Sein Film ist eine Studie über eine Generation, die viel zu viel Zeit in der virtuellen Welt zubringt. Hinter dieser gesellschaftlichen Momentaufnahme verbirgt sich jedoch ein modernes Großstadtmärchen, das in herrlich unaufgeregten Bildern die ganze Palette des Kitschs bedient. An einer Stelle im Film summen die Protagonisten das Lied „True Love Will Find You In The End“ und diese Botschaft trägt „Medianeras“ hinaus in den Zuschauerraum. Hach, wie passend zum Frühling!

Eileen Reukauf

„Medianeras„, Drehbuch/Regie: Gustavo Taretto, Darsteller: Rafael Ferro, Ines Efron, Pilar López de Ayala, Javier Drolas, Carla Peterson, Kinostart 3. Mai