„Memories Of Old Awake“ von Patrick Chadwick (Jun 19)
An jedem dritten Mittwoch im Monat können Filmemacher ihre Kurzfilme – ohne Anmeldung, ohne Vorauswahl, ohne Jury – beim Open Screening im Sputnik Kino Kreuzberg präsentieren und jeweils nach der Vorführung mit dem Publikum ins Gespräch kommen. Unerwünschte Inhalte können vom Publikum mit mehrheitlich gezogener roter Karte gestoppt werden. Das Ganze ist somit so etwas wie ein Filmfestival ohne Netz und doppelten Boden, bei dem ausschließlich Filmemacher und Publikum entscheiden, was gezeigt wird.
berliner-filmfestivals.de präsentiert euch einmal im Monat einen von den Veranstaltern ausgewählten Beitrag der letzen Open Screening-Ausgaben mit einem Interview. Bei uns erfahrt ihr mehr über die Macher der Filme und ihre Pläne. Nach der Webserie „Mellowing„ von Kitt Proudfoot (Drehbuch) & Matthew Gundel (Regie) im April und der Mockumentary „Shiddi 7eilik“ (von Salma ElShami) im Mai, stellen wir euch im Juni den sagenhaften Kurzfilm „Memories Of Old Awake“ von Patrick Chadwick vor.
Hier der filmische Ausflug in die Welt der isländischen Sagen und unser Interview (übersetzt aus dem Englischen) mit Filmemacher Patrick Chadwick…
Viel Vergnügen!
Patrick, worum geht es in deinem Kurzfilm „Memories Of Old Awake„?
Patrick Chadwick:„Memories Of Old Awake“ ist ein Film über Isländersagas. Der Film versucht zu zeigen, dass diese Geschichten nicht nur in schriftlicher Form existieren, sondern auch in den isländischen Landschaften und in den Vorstellungen der Menschen, die heute in diesen Landschaften leben. Der Film konzentriert sich auf eine bestimmte Sage, die Gísla Saga. Darin werden Ereignisse geschildert, die vor mehr als 1000 Jahren stattgefunden haben. Und doch sprechen die Menschen in der Region von den Figuren dieser Geschichte, als wären sie noch am Leben und verweisen auf Orte, an denen bestimmte Ereignisse, die in der Geschichte vorkommen, stattgefunden haben. Der Film folgt Dr. Emily Lethbridge, einer Universitäts-Forscherin, die durch das Land reiste, um jede Sage „vor Ort“, also an den jeweiligen Schauplätzen, zu lesen.
Wie ist die Idee entstanden?
Ich habe damals als Filmemacher für das Kommunikationsbüro der Universität Cambridge gearbeitet. Eine meiner Aufgaben war es, kurze Dokus über die Forschung an der Universität zu produzieren und diese Videos online zu veröffentlichen. Ein Kollege von mir, Stuart Roberts, schrieb eine Pressestory über Emilys Forschung und schlug das Thema für einen Film im Rahmen der Serie „Cambridge Ideas“ vor. Emily war in Island unterwegs und lebte in ihrem alten umgebauten Krankenwagen. Wir planten alles über Skype. Ich erinnere mich an meinen Chef, Tom Kirk, der mir sagte, solange der Name „University of Cambridge“ irgendwo im Film vorkomme, dürfe ich den Film so drehen, wie ich wollte. Ich wusste sein Vertrauen, seine Ermutigung und die Freiheit, die mir bei der Arbeit an den Filmen gegeben wurde, enorm zu schätzen. Stuart, Tom und andere Kollegen halfen später bei der Planung und Ausarbeitung der Story-Struktur.
Wie wurde der Film gedreht?
Ich hatte das große Glück, an der Universität Zugang zu Kamera-, Ton- und Schnitttechnik zu haben. Ich hatte auch ein kleines Budget, mit dem ich ungefähr zwei Wochen in Island bleiben konnte. Dort habe ich auf 5D MkII gefilmt, den Ton mit Zoom H4n aufgenommen und dann in Großbritannien mit FCP7 geschnitten. Kurz vor dem Dreh war ich im Urlaub in Deutschland und stieß auf eine Windharfe, die in den Ruinen eines alten Schlosses stand. Ich war ziemlich angetan von der Musik, die diese Harfe scheinbar für sich spielte. Sie wurde zu einer Inspiration für den Film. Rüdiger Oppermann, der mit dieser Windharfe ein Album aufgenommen hat, erlaubte mir freundlicherweise die Musik zu verwenden. So komponierte und spielte der Wind die gesamte Musik, die im Film zu hören ist.
Wie war die Arbeit an „Memories Of Old Awake„?
Es war eine wundervolle Erfahrung, Zeit mit Emily zu verbringen und den Film zusammen zu drehen. Aber es war eine Menge Arbeit und auch körperlich ziemlich anstrengend. Wir lebten und filmten teilweise an wilden Orten, weit weg von irgendwelchen Straßen oder Siedlungen. Ich war mir nicht immer sicher, wie ich den Film machen wollte und hatte einige Zweifel, was am Ende herauskommen würde. Ich wollte versuchen, ein Gefühl dafür zu bekommen, wie es für die Figuren in den Sagen gewesen sein könnte, in den Landschaften zu leben und zu reisen – und wie es heute für Menschen ist, an diesen Orten zu leben. Emily hat mir sehr geholfen, die Story zu entwickeln und das Voice-Over zu schreiben. Sie ist die Expertin, die diese Sagen seit vielen Jahren studiert. Also hörte ich auf sie, wenn es darum ging, was und wo wir mit ihr filmen sollten.
Der Film zeigt viele atemberaubende Naturaufnahmen aus Island. Wie hast du diese wunderschönen Drehorte gefunden und wie lange hat das Reisen und Filmen gedauert?
Ich habe im Norden des Landes in den Westfjorden gefilmt, wo die Geschichte der Gísla-Saga spielt. Ich kam im Mai an und zu dieser Zeit war das Wetter schrecklich, was es sehr schwierig machte, draußen zu filmen. Schließlich habe ich meine Heimreise verschoben. In diesen zusätzlichen Tagen kurz vor der Rückfahrt kam die Sonne endlich zum Vorschein und wir drehten die meisten Szenen, die im Film sind. Es wurde nie wirklich dunkel. Die Sonne ging unter und sehr schnell wieder auf. Das schönste Licht war entweder um 23 Uhr oder um 3 Uhr morgens. Die Szene mit dem Bauern, der über die Enten wacht, wurde zum Beispiel mitten in der Nacht gefilmt.