„Oh My God“ (Aug 12)


interfilm-Organisator Mirko Knispel über den Film „Oh My God“ von John Bryant: “ Selten verließ ein Publikum einen Kinosaal gleichermaßen so zerstört, befreit, amüsiert und taumelnd wie nach der Europapremiere von ´Oh My God´ in Clermont Ferrand, der als letzter Film im Programm gezeigt wurde. Zerstört, weil der Film harte Kost ist, befreit, weil er überstanden war, amüsiert, weil er kluge Auseinandersetzungen bot, die in die Enge trieb, und taumelnd, weil er als Frontalangriff auf den Körper wirkt, den es nach Schweißausbruch, Lachen und Grauen zu überwinden gilt.

Die körperliche Wirkung gelingt durch eine archaisch-brachiale Rhythmik, die das 10-Minuten-Drama in immer neuen Schüben steigert. Im Vorspann bei Elektrogeigen in Moll ein Familienfoto – ein glückliches Ehepaar mit Sohn. Doch schon während Jason in Arbeiterkluft auf der Ladefläche eines Wagens fährt, peitscht der Sound donnernd vor Spannung – das ist musikalisch und visuell wie ein Kugelhagel gesetzt. Dann der Titel: ´Oh My God´ verspricht
Ehrfurcht mit Action.

Vati also kommt nach Hause. Der Nachbar gegenüber grüßt missmutig, weil der Hund schon wieder streunte. Jason streichelt den Hund, doch aber: Seine Hand ist blutverschmiert. ´Oh my god´ murmelt er. Er geht ins Haus, hinter der Tür hängt das Familienfoto, er ruft seine Frau Jessica, doch findet sie ausgestreckt auf dem Küchenboden. Sie lebt, doch mit dem Messer in der Brust. ´Oh my God´ ruft er verzweifelt, ´Oh my God!´ hallt es im Publikum und dann geht es voll ab.

Um kurz das Ende der Tortour vorwegzunehmen: Jason wird – ´Oh my god´ – am Ende Feuerfontänen sprühen, gleich dem Blut, das Jessica vergoss. Vom Finale des Films her betrachtet, ist das Blutbad in der Küche noch der heiterste Part, er ergötzt den Zuschauer durch die Mischung aus Splatter, narrative Unglaublichkeit, Schreck und Schmerz. Am Ende aber wird der Blutrausch – makaber genug – global-politischer Ernst. Bryant übersteigt die Erträglichkeitsgrenzwerte sowohl visuell als auch durch das ´Oh my god´ akustisch. Ihm gelingt, rhythmisch sich in gerade mal zehn Minuten steigernd, ein körperlicher Angriff auf die Zuschauer.

Beim Verlassen des Kinosaals feuchte Augen, kalter Schweiß, zittrige Hände, Umarmungen. Dieser
Moment ist schon ein paar Jahre her,  die Premiere war 2005 und ´Oh My God´ ist seit langem bei interfilm im Verleih, doch wird er mir auf immer als eins meiner intensivsten Kurzfilmerlebnisse in Erinnerung bleiben. Oh my god!“