„Only God Forgives“ von Nicolas Winding Refn



So wird der scheinbare Dreh- und Angelpunkt des Films, die Mutter-Sohn-Beziehung, zu einer einzigen Farce stilisiert. Dabei wird das Publikum noch nicht einmal im Ansatz dazu aufgefordert, sich weitere Gedanken um die Hintergründe der im Grunde pervertierten Konstellation zu machen. Denn sie ist lediglich eine Spiegelung, ein Spiel mit dem ödipalen Komplex, eine Variation in rot und blau, die sich selbst nicht ernst zu nehmen scheint. Wie der Thai-Box-Club als Fassade für die (übrigens nicht präsenten) Drogengeschäfte dient, so ist jedes inhaltliche Element des Films eine übersteigerte Variation filmischer Mittel. Mit den Dialogen verläuft es analog. Wenn Julian seinem ultimativen Gegner ein mühsames „Wanna Fight?“ anbietet, in dessen Folge er kläglich zu Boden gehen wird, so handelt es sich hierbei eher um eine rhetorische Frage.

Man kann das Prinzip auf den gesamten Film anwenden, er ist mehr Form als Inhalt. Das kann visuell ansprechend sein, erfordert jedoch eine Art Lust für die inhaltsleere Ästhetik, die ihr karges Inneres nach außen kehrt. Das hat zuweilen den Charakter einer Jeans-Werbung, in der Ryan Gosling mit langsamen Schritten durch die rotgefärbten Straßen eines Kulissen-Bangkoks streift.

In "Only God Forgives" steht für Julien (Gosling) die eher ungesunde Liebe zur Mutter im Vordergrund. Für andere Damen bleibt nur die Nebenrolle. (c) Filmfest München

In "Only God Forgives" steht für Julian (Gosling) die eher ungesunde Liebe zur Mutter im Vordergrund. Für andere Damen bleibt nur die Nebenrolle. (c) Filmfest München

Dazu gehören ebenfalls Winding Refns selbstgenannte Inspirationsquellen, wie das Kino des chilenischen Filmemachers Alejandro Jodorowksy, dessen Name auch in den Credits zu lesen ist. In Jodorowskys Filmen spielen Hände oder ihr Nichtvorhandensein („Santa Sangre„, 1989) oft eine Rolle. Auch Winding Refn setzt den Fokus auf die Hände, sie sind ganz klar als phallische Symbole markiert: Als Ausdruck seiner Eifersucht ballt Julian die Fäuste, die auf seinem Schoß ruhen; dem Vater der ermordeten Prostituierten wird die Hand abgeschlagen, mit der er Billy getötet hat; zuletzt wird das Phallische der Hände sogar seiner Symbolhaftigkeit entledigt. Doch im Gegensatz zu Jodorowksy, fehlt Winding Refn der nötige Charme. Er setzt auf Schablonen statt auf Inhalte. So wirkt die Verbeugung vor Jodorowksy wie eine aufgesetzte Fingerübung. Vielleicht, um so den Gewaltfetisch ausgiebiger zu zelebrieren.

In den Kampfszenen wird nicht nur gekämpft, es wird auch penetriert. Wenn Julian einen Gegner an der Mundhöhle durch einen Korridor schleift oder der mysteriöse Chang einen Feind zu Thai-Schlagermusik mit verschieden dicken Metallstäben lyncht, entsteht der Eindruck, als wolle Winding Refn mit Gewalt bis in die letzte Körperritze vordringen. Was als Gangsterfilm beginnt, wird nach und nach immer mehr pures Gemetzel. Bis es sogar Julian am Ende wieder in die mütterliche Höhle zieht – dorthin wo alles seinen Anfang nahm.

Deniz Sertkol

Wir verlosen zum DVD-Start von “Only God Forgives” am 18. November zwei DVDs. Einfach eine E-Mail mit dem Betreff “Only God Forgives” an info@berliner-filmfestivals.de schicken. Einsendeschluss ist der 23. November. Bitte Namen und Adresse nicht vergessen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Viel Glück!

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