„Prince Avalanche“ von David Gordon Green


Allein zu zweit im Wald. Foto: Scott Gardner

Allein zu zweit im Wald. Foto: Scott Gardner

Skandinavische Poetik in der amerikanischen Wildnis

Seid ihr schon einmal mit dem Auto durch eine wirklich menschenverlassende Gegend gefahren und habt euch gefragt, wer eigentlich dafür sorgt, dass die Straßen in gutem Zustand gehalten, mit sauber gemalten Mittelstreifen ausgestattet und mit leuchtenden Leitpfosten versehen sind? In „Prince Avalanche“ von David Gordon Green dürfen wir zwei seltene Spezies der Gattung Straßenarbeiter ein bisschen genauer betrachten. Die beiden sehen äußerlich im Übrigen vertraut aus. Alvin wird von Hollywooddarling Paul Rudd verkörpert, Nachwuchshoffnung Emile Hirsch spielt den jungen Lance.

Die beiden Antipoden kümmern sich nun um die verlassenen Straßen einer amerikanischen Waldlandschaft – und das ganz kurz nach einem verheerenden Waldbrand im Jahr 1988. Alvin ist der ältere der beiden und steht mit beiden Beinen im Leben. Er weiß wie man ein Zelt aufbaut und kann sich seine Nahrung im Wald zur Not auch selbst beschaffen. In seiner erwachsenen, reifen Art neigt er zur Pedanterie. Lance hingegen ist ein vorlauter Tunichtgut, dessen Gedanken sich meist um Partys oder den Geschlechtsakt drehen. Bei aller Gegensätzlichkeit gibt es dennoch eine Beziehung zwischen den beiden. Alvin ist mit Lances Schwester liiert – der einzige Grund warum Lance den Job als Straßenarbeiter überhaupt bekommen hat.

Das Set ist also bereit für eintönigen Arbeitsalltag in Mitten der Wildnis. Doch natürlich kommt es anders. Anfangs begegnet sich unser ungleiches Paar mit einer Mischung aus Desinteresse und passiv-aggressiver Feindschaft. Doch die Ereignisse eines einzigen Wochenendes verändern die Situation. Alvin wird von seiner Freundin verlassen und auch Lance kommt aus dem Wochendurlaub mit einem Berg voll Kummer zurück. Da die beiden im Wald nur einander haben, werden alle Regungen, die einen Menschen in emotionalen Extremsituationen packen, am jeweils anderen ausgelassen. Beinahe-Prügeleien folgen auf humorig-tröstende Dialoge, haarsträubende Streitereien auf spontane Solidaritätsbekundungen – bis das Ganze in einem epischen Zwei-Mann-Suff kulminiert.

Prince Avalanche“ ist das amerikanische Remake des isländischen Films „Either Way“ („Á annan veg„) und das merkt man ihm im positivsten Sinne an. David Gordon Green verbindet die europäische Gelassenheit, die krude skandinavische Poetik und die inszenatorische Leichtigkeit des US-Films. Momente des feinen, abseitigen Humors und der melancholischen Tragik wechseln sich fließend ab und bedingen sich stets gegenseitig. Die Hauptdarsteller spielen sympathisch zurückhaltend und nutzen doch den Freiraum, den das kleine Cast (im gesamten Film erscheinen vier Menschen) und die daraus entstehende Screentime ihnen bietet. So entstand eine feine Indieperle, die den Zuschauer mit einem Lächeln auf den Lippen aus dem Kino entlässt.

Peter Correll

Prince Avalanche„, Regie: David Gordon Green, Hauptdarsteller: Emile Hirsch, Paul Rudd, Lynn Shelton, Lance LeGault, Joyce Payne, Gina Grande, Kinostart: 26.9.2013