„Schönheit“ von Carolin Schmitz


Szene aus "Schönheit" von Carolin Schmitz.

Szene aus "Schönheit" von Carolin Schmitz.

Bouletten und Brüste

Während die blonde Frau mittleren Alters in ihrer Hand rohes Hackfleisch zu kleinen, flachen Bällchen formt, kommt sie ins Schwärmen: „In unserer Selbsterfahrungsgruppe für Frauen mit Brust-OPs darf man endlich nicht nur gucken, sondern die operierten Busen der anderen auch mal anfassen.“ Die Parallele zwischen Bouletten und Brustimplantaten ist eines der stärkeren Bilder in Dokumentarfilm „Schönheit“ von Carolin Schmitz.

Darin werden eine handvoll recht typischer Patienten porträtiert, die sich für ein fragwürdiges Ideal unters Messer legen. Heraus kommt dabei größtenteils das, was man aus unzähligen Reportagen und Features aus dem Fernsehen bereits kennt: Das Geschäft mit der Schönheit ist absurd, besonders dann, wenn die Gründe dazu banal sind: Eine Autohändlerin wünscht sich, dass der Busen am Ansatz voller „aber natürlich auch nicht zu voll wird“, eine übergewichtige Frau gibt zu, dass die mehrmaligen Operationen am Bauch und an den Beinen bei ihr „wie eine Sucht“ wirken und ein alternder Privatier findet das Entfernen von Schlupfliedern sei man „nicht nur den anderen, sondern auch sich selbst schuldig“. Trotz dieser – von den Protagonisten ohne jeglichen Humor oder Selbstreflexion vorgetragenen – reichlich absurden Beweggründe für eine oder mehrere Schönheitsoperationen, vermeidet es die Regisseurin Carolin Schmitz zu werten. Ein Stilmittel sind dabei überlange Standbilder: Indem sie immer noch ein wenig länger draufhält als nötig, fängt sie die beklemmende Stille nach dem Statement der Protagonisten ein, in der sich diese selbst enttarnen. Leider etabliert Regisseurin Schmitz dieses Verfahren aber erst ab der zweiten Hälfte des Films als wiederkehrendes stilistisches Element. Die Aneinanderreihung der einzelnen Interviewsequenzen wirkt wie ein letzter Rohschnitt, als ein ausgereiftes dramaturgisches Konzept.

Immerhin, in den Szenen, in denen die Protagonisten sich in Schwärmereien und Rechtfertigungen über ihren perfekten Traumkörper verlieren, bekommt der Zuschauer einige wertvolle Momente serviert. Die exzessive Optimierung des Körpers dieser Menschen, die als einzige Bezugspersonen scheinbar nur die ebenfalls operierten Frauen aus der gemeinsamen Selbsterfahrungsgruppe oder ihre Katzen haben, zeigt, dass eine Schönheitsoperation allenfalls eine Ersatzbefriedigung sein kann. Und auch die Verknüpfung zu anderen Statussymbolen, wie etwa schnelle Autos, perfekt eingerichtete Wohnungen oder ein nach Farben sortierter Kleiderschrank, macht deutlich, dass Schönheit nur eines von vielen Idealen ist, das in der Welt der Luxusgüter zu möglichst hundert Prozent erreicht werden soll.

Text: Cosima M. Grohmann

Schönheit„; Regie: Carolin Schmitz; Kinostart: 4. Oktober 2012