„We are the Champions“ von Sepp Maier



Schon vor der Premiere stürzen sich die Medien auf den Film. Das Bild des nackten, entrückt grinsenden Lothar Matthäus, Kapitän der 90er Helden und damals bester Spieler der Welt, der mit dem oft geküssten WM-Pokal in Händen sein Gemächt verdeckt, geht um die Welt. Es führt aber auf eine falsche Spur. Maiers „We are the Champions“ ist vielmehr Familien- denn Skandalfilm. Ein Homevideo, wie es Eltern auf Reisen anlegen. Nur filmt Maier keine spielenden Kinder, sondern die Spieler des späteren Weltmeisterteams. Maier ist einer von ihnen.

Die Spieler winken dem Spaßvogel bei der Bootsfahrt auf dem Comer See freundlich zu, während sie vertraut mit ihren Frauen schmusen und stören sich nicht daran, wenn er sie nackt auf der Massagebank einfängt. Diese Intimität unterscheidet „We are the Champions“ deutlich von etwa Sönke Wortmanns „Sommermärchen„, der Klinsmanns Jungs während der Heim-WM 2006 begleitete. In Anspielung an Wortmann bezeichnet Maier im Interview mit dem Magazin 11freunde seinen Film als „das wahre Sommermärchen“ – zu dem es nicht zuletzt durch den bis heute nicht wieder erreichten Erfolg wurde. Sein Urlaubsvideo quält anfangs mit langen Einstellungen der Hotelanlage, bringt den Zuschauern aber die vielleicht letzten Spieler näher, die dem Klischee-Fußballer entsprechen. Spieler mit Vokuhila-Frisuren und Schnauzbärten, die in ihren mintgrünen DFB-Ballonseide-Hosen und Sponsoren-Schirmmützen mit Löws heutigen Dressmen nur wenig gemein haben.

In den Momenten vor dem Abpfiff durch Schiri Mendez fiebern alle dem gemeinsamen Erfolg entgegen. Dank Maier ist das Publikum dabei. Es darf die Erlösung aus neuer, nie zu erahnender Perspektive miterleben. Ist dabei, wenn der baumlange Libero Klaus Augenthaler den Pokal in die Höhe reckt, während der kleine Icke Häßler, dessen entscheidendes Tor im Quali-Spiel gegen Wales alles erst möglich machte, sich vergebens reckt. Begleitet Pierre Littbarski, der sich samt Trikot unter der Dusche einseift und am frühen morgen nach durchzechter Nacht alleine seine Zigarre pafft. Er zeigt Illgner, der siegestrunken den Queen-Klassiker anstimmt, Kaiser Beckenbauer, der seine wiederholte Krönung lieber still genießen will und Kameramann Maier, der in den Morgenstunden mit Kapitän Matthäus auf dem Tisch tanzt. Ein italienisches Sommermärchen oder wie Sepp Maier sagt: „We are the Champions“.

Denis Demmerle

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