„Weil ich schöner bin! von Frieder Schlaich


Ein Leben in der Illegalität: Charo in "Weil ich schön bin", Foto: Filmgalerie 451

Ein Leben in der Illegalität: Charo in "Weil ich schöner bin", Foto: Filmgalerie 451

Zwischen Legalität und  Illegalität

„Papiere für alle“, das ist ein Bündnis für Ausländer, erklärt die Drehbuchautorin des Films Claudia Schaefer nach der Preview von „Weil ich schöner bin“ im Babylon. Sie kennt viele Geschichten um Illegalität und Ausbürgerung von Menschen, die hier lange geduldet und als billige, steuerfreie Arbeitskräfte sogar gewünscht sind und dann plötzlich ihre Wahlheimat verlassen müssen. Das Recht eines jeden, in seiner Wahlheimat zu bleiben, ist somit das Thema des Films von Frieder Schlaich. Wer jetzt aber ein graues, belastendes Flüchtlingsdrama erwartet, wird glücklicherweise enttäuscht werden. Denn „Weil ich schöner bin“ ist vielmehr ein bunter, lebendiger Spielfilm, dessen Schauplätze quer durch die Stadt von Kreuzberg bis in den Grunewald reichen – ein echter Berlin-Film nach einer wahren Geschichte.

Charo ist eine 13-jährige Schülerin, die seit ihrer Geburt in Berlin lebt. Sie ist genauso integriert wie ihre deutsche Schulfreundin Laura. Diese Freundschaft ist tief und ehrlich wie herzlich. Ihre Mutter hat den Aufenthalt der Familie jedoch nie legalisiert. Davon weiß auch Laura bisher nichts. Die Familie, allen voran die Mutter, lebt stets in Angst, entdeckt zu werden. Eines Tages passiert es tatsächlich, dass die Polizei vor der Tür steht und nach ihren Papieren fragt. Der Grund dafür ist jedoch nicht, dass die Familie „auffliegt“, sondern sie werden als Zeugen für einen Einbruch in der Nachbarschaft gesucht. Charo geht gewohnheitsgemäß locker und unbekümmert mit der Situation um. Sie hat keine Angst davor, erwischt zu werden, weil sie sich hier sicher und zuhause fühlt. Ihre Mutter macht sich durch ihr Verhalten gegenüber den Polizisten jedoch verdächtig und landet auf dem Revier. Damit hat das unbekümmerte Leben von Charo ein Ende. Plötzlich muss sie vorsichtiger sein, wenn sie auf der Straße Polizisten begegnet. Nun begleitet sie ihre Mutter auch häufiger bei deren Putzeinsätze in einer Grunewalder Villa.

Die wechselnden Schauplätze stehen für die Bewegung im Film und in den Figuren, für ihr Nomadentum und besonders für den sozialen Unterschied der Bezirke. Diese Fahrt ist aber weniger eine durch arm und reich, sondern zeigt vielmehr die Welt zwischen Legalität und  Illegalität. Denn nicht das illegal verdiente Geld ist das Problem, sondern das Bleiberecht der Familie. Zur größten Herausforderung für die Mutter wird es, den Wunsch ihrer Tochter zu akzeptieren: Diese will hier in Berlin, zu hause, bleiben und um ihre berufliche Zukunft kämpfen. Charo ist jedoch gleichzeitig emotional stark an ihre Mutter gebunden. Das Leben ihrer Mutter kennt sie fast gar nicht bzw. deren Lebensgefühl. Die Mutter bleibt hier fremd, schlägt sich und ihre Familie in Deutschland zwar tapfer durch, vermisst aber immer wieder ihr Land und ihre Verwandtschaft. So müssen beide am Ende den großen emotionalen Spagat zwischen Abschied und dem Verwirklichen der eigenen Wünsche leisten. Die Trennung ist unumgänglich.

Seine Lebendigkeit verdankt der Film vor allem der Hauptdarstellerin Mariangel Böhnke. Denn sie besticht in der Figur der Charo durch ihren starken Willen, ihre Natürlichkeit, ihre Beharrlichkeit und Aufgewecktheit. Sie ist äußerst intelligent, kritisiert selbst ihre Mutter immer wieder, wenn diese nicht deutsch spricht, ohne dabei an positiver Emotionalität zu verlieren. Auch Mira Aring als Charos beste Schulfreundin Laura überzeugt als pubertierende Berlinerin. Warum ihr soviel an der Freundschaft zu Charo – und das trotz der auftauchenden Probleme – liegt, weiß sie durch ihre Ausdruckskraft zu vermitteln. Es sind wohl Charos Natürlichkeit, ihre Offenheit, das Vertrauen und die Lebendigkeit, die sie aneinander binden. Als ihre Wege scheinbar voneinander scheiden müssen, findet Kameramann Benedict Neuenfels das perfekte Bild: zwei U-Bahnen, die sich am Gleisdreieck entgegen fahren.

Weil ich schöner bin„vermittelt ein echtes Berliner Lebensgefühl nicht nur durch seine vertrauten Berlin-Bilder, sondern durch sein selbstbewusstes Gesicht, wenn Laura die Behauptung ihrer Freundin Charo hinterfragt, dass diese mehr Jungs begeistern wird als sie, zur Antwort bekommt: „Weil ich schöner bin“. Dankenswert ist, dass der Film gewaltfrei abläuft. Er ist frech, weil seine Protagonistinnen das sind. Gleichzeitig ist er sozial-kritisch, weil er dem Zuschauer ein Happy-End verwehrt. Durch die erzeugte Authentizität wird der Begriff Heimat als der Ort definiert, an dem man aufwächst, sich (gut) entwickelt und das Bewusstsein erwacht – im Teenie-Alter in Berlin Kreuzberg. Heimat ist hier nicht der Ort, aus dem man selbst oder die Eltern stammen.

Katrin Rösler