Interview: Jochen Werner über das Pornfilmfestival


Festivalkurator Jochen Werner

Das 5. Pornfilmfestival Berlin steht vor der Tür. Vom 28. bis 31. Oktober werden knapp 120 internationale Produktionen gezeigt, die sich lustvoll, komisch, gleichwohl kritisch mit dem Thema Sexualität auseinandersetzen. Im Vorfeld sprachen wir mit einem der Festivalkuratoren, Jochen Werner, über die Organisation solch eines Events und darüber, wie viel Pornografie wirklich im Festival steckt.

Guten Tag Jochen Werner,  wie geht es Ihnen, so kurz vor der mittlerweile 5. Ausgabe des Festivals?
Jochen Werner: Da ich gerade den druckfrischen Festivalkatalog in der Hand halte und mich freue, dass wir auch in diesem Jahr wieder ein so schönes Programm zusammenstellen konnten, geht es mir hervorragend. Die Vorfreude auf das Festival wächst mit jedem Tag.

Das Programm steht, was kann jetzt noch schiefgehen?
Werner: Schiefgehen kann kurzfristig immer vieles bei einem Festival: Gäste, mit denen wir fest gerechnet haben, können absagen, die Technik im Kino kann Probleme bereiten, und im schlimmsten Fall könnte das Publikum einfach zuhause bleiben.

Etwas Persönliches – wie alt sind sie?
Werner: Ich bin 30 Jahre alt.

Noch etwas Persönliches, wie wird man Kurator eines Filmfestivals, das sich explizit mit Pornografie auseinandersetzt?
Werner: Das 1. Pornfilmfestival im Jahr 2006 habe ich noch als akkreditierter Journalist besucht – ich habe damals ein inzwischen eingestelltes unabhängiges Kulturmagazin mitherausgegeben und mich zwar zuvor gar nicht so intensiv mit Pornografie beschäftigt, aber immer wieder für Tabus brechende und Grenzen überschreitende Kunstformen interessiert. Der Gedanke, ein Filmfestival (nicht als kommerzielle Veranstaltung im Stil der Venus, sondern als ein nach künstlerischen Gesichtspunkten zusammengestelltes Festival) zu veranstalten, um ein Genre herum, das gemeinhin niemals als kunstfähig betrachtet wird, hat mich fasziniert. Ich habe mir dort tagsüber das Filmprogramm angeschaut, nachts Kritiken geschrieben und diese dann direkt am nächsten Morgen im Netz veröffentlicht. Nachdem Jürgen Brüning, der das erste Festival noch im Alleingang gegründet und kuratiert hatte, meine Texte gelesen hat, hat sich dann herausgestellt, dass wir sehr ähnliche Vorstellungen davon haben, wie das Pornfilmfestival funktioniert und was seine Aufgaben sein könnten. Das zweite und dritte Festival haben wir dann in einem Team von fünf Leuten kuratiert, und seit dem letzten Jahr sind wir noch zu viert.

Mit welchen Vorurteilen kämpft man als Kurator eines solchen Festivals?
Werner: Vorurteile und Berührungsängste gibt es gerade bei einem so emotional aufgeladenen Thema wie Pornografie immer noch. Der Klassiker wäre da vielleicht der oder die potenzielle ZuschauerIn, der sich nicht zu kommen traut, weil er oder sie damit rechnet, nur auf einsame Männer in dunklen Mänteln zu stoßen. Wir beobachten aber zu unserer großen Freude, dass sich diese Schwellenängste immer mehr legen, und dass sich auch herumspricht, dass es bei uns jedes Jahr eine herzliche, kommunikative Atmosphäre gibt, in der jeder willkommen ist. Außerdem gibt es natürlich auch noch durchaus gesellschaftliche Tabus, die mit Pornografie (und Sexualität überhaupt) verknüpft sind. So passiert es zum Beispiel immer wieder, dass wir Filme, die wunderbar ins Festivalprogramm passen würden, nicht zeigen können, weil Filmemacher oder ihre Agenten fürchten, sich dadurch anderswo Türen zu versperren und in die Porno-Schublade gesteckt zu werden. Das Wort Pornografie im Festivalnamen macht es jedenfalls nicht einfacher für uns – der Schwierigkeit stellen wir uns aber bewusst, weil wir damit auch ein Stück weit enttabuisieren wollen.

Welche Vorteile bringt diese Arbeit mit sich?
Werner: Das Schönste an der Festivalarbeit besteht wohl darin, dass man Jahr für Jahr aufs Neue viele wunderbare, höchst kreative Menschen kennenlernt. Zudem lernt man unglaublich viel in der Festivalarbeit: dass ein funktionierendes Festivalprogramm, mit Themenschwerpunkten, Retrospektiven, vertiefenden Diskussionen und Vorträgen, einer abwechslungsreichen Filmauswahl etc., nicht bloß aus dem Nebeneinanderstellen von Filmen entsteht, die man persönlich gut findet, sondern wesentlich komplexer strukturiert ist. Und für dies alles, für die tollen Gäste, von denen einige schon regelrecht zur Pornfilmfestival-Familie gehören, für das tolle und hoffentlich immer weiter wachsende Publikum, und für die vielen unschätzbaren Erlebnisse und Erfahrungen, die ich in fünf Jahren Festivalarbeit machen konnte, schlage ich mir dann auch gern die Hunderte von Stunden in Teamdiskussionen und beim kollektiven Pornosichten um die Ohren, die so ein Pornfilmfestival Jahr für Jahr erfordert.

Sie sagen, dass es Filmemacher gibt, die ihre Filme nicht bei Ihnen zeigen wollen, weil sie Angst haben, in einer Schublade zu landen. Wo beginnt denn Pornografie?
Werner: Eine gute Frage – in der öffentlichen Wahrnehmung beginnt Pornografie immer dort, wo sie vermutet wird. Überhaupt lassen sich da kaum allgemeingültige Regeln aufstellen, da es in der Bewertung von Pornografie auch kulturell große Unterschiede gibt. In vielen Ländern etwa ist ja das, was wir als Hardcore-Pornografie begreifen würden, immer noch illegal, was aber nicht heißt, dass es dort keine Pornofilme gäbe. Nur ihre Grenzen verlaufen anderswo, und für ein Festival wie das unsere ist es natürlich auch hochinteressant, diese unterschiedlichen Maßstäbe nebeneinander zu stellen und sie miteinander zu vergleichen. In den geschilderten Fällen in diesem Jahr, in denen Filmemacher ihre Filme zurückgezogen haben, ging es nun allerdings noch nicht einmal um Pornografie im engeren Sinne, sondern um Dokumentarfilme, die sich mit der Sexualkultur verschiedener Länder beschäftigt haben. Wir hatten ursprünglich einmal einen Themenschwerpunkt zu Sex und Religion vorgesehen, in dem die Sexualmoral verschiedener religiöser Gemeinschaften thematisiert wird, und hatten auch eine ganze Reihe interessanter Filme hierzu im Blick. In diesem Kontext hat jedoch bereits das Wort Pornografie in unserem Festivalnamen genügt, um die Filmemacher zurückschrecken zu lassen – auch aus Angst vor Konsequenzen für sie selbst oder ihre Protagonisten. Somit sind wir wohl mit diesem letztlich gescheiterten Schwerpunkt an eines der letzten großen Tabus unserer Zeit gestoßen.

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