Interview: Kirsten Niehuus vom Medienboard Berlin-Brandenburg


Foto: Ulrike Schamon

Foto: Ulrike Schamon

Kino konkurriert heute mit Unmengen an Bewegtbildern anderen Medien.

Kirsten Niehuus ist seit 2004 Chefin der Medienboard-Filmförderung in Berlin-Brandenburg. Anläßlich der Berlinale sprachen wir mit ihr über den Film in Berlin-Brandenburg, die Form, wie Film in der Region gefördert wird und welche Rolle Filmfestivals in der Hauptstadt spielen.

Frau Niehuus, in diesem Jahr laufen insgesamt acht vom Medienboard Berlin-Brandenburg geförderte Filme im Wettbewerb der Berlinale. Ist das der Erfolg ihrer Arbeit?
Niehuus: Das zeigt vor allem, was für tolle Produzenten wir in der Region haben. Von den acht Wettbewerbsfilmen laufen sechs direkt im Wettbewerb und zwei außer Konkurrenz. Fünf davon sind internationale Produktionen mit deutscher Beteiligung. Mir zeigt diese Entwicklung, dass deutsche Produzenten, ein Gespür für internationales Talent haben, dass sie international anerkannt sind und nicht nur Geldbesorger. Das Studio Babelsberg hat sich in den letzten Jahren einen international guten Ruf für großes Kino erworben. Brandenburg ist gerade von der EU als Region of Excellence ausgezeichnet worden. So geballtes Knowhow im künstlerischen wie auch technischen Bereich finden sie sonst nirgends in Deutschland. Das spiegelt sich nun in den Wettbewerbsfilmen wider.

Hat sich durch die Förderungsmaßnahmen von Medienboard Berlin-Brandenburg die Kreativwelt in Berlin professionalisiert?
Niehuus: In den letzten Jahren hat neben der regionalen Förderung durch das Medienboard gerade der Deutsche Filmförderfonds sehr viel dafür getan und internationale Filme in die Region geholt. Über fünfzig Prozent der Mittel aus diesem Fond fließen nach Berlin-Brandenburg. Das hat natürlich zur Folge, dass bei großen Produktionen wie zum Beispiel „Speedracer“, der im Kino schlecht abgeschnitten hat, die Region andere Vorteile hat: Nämlich technische Standards wie digitale Neuerung und technisches Knowhow. „Speedracer“ war wie ein Laborversuch, bei dem das Ergebnis im Kino letztlich nicht funktioniert hat. Der Wissenstransfer, der stattfand, ist dafür unbezahlbar.

Wenn man sich die Zahlen beim DFFF anschaut, dann wurden im letzten Jahr Projekte mit 60 Millionen Euro unterstützt, bei ihnen waren es 23,7 Millionen. Fast das vierfache an Geld, knapp 110 Millionen, sind aus der Filmwirtschaft wieder zurückgeflossen. Warum nimmt man bei so einem Erfolg nicht das dreifache an Geld in die Hand?
Niehuus: Wir stoßen natürlich an Grenzen, denn so etwas ist nicht ewig haltbar, da die anderen Filmregionen wie Nordrhein-Westfalen und Bayern in den letzten Jahren aufgeholt haben. Film geht immer dahin, wo das Geld herkommt. Bayern hat gerade ein Programm aufgelegt, das deutlich mehr Geld ins Spiel bringt. Insofern ist es wichtig, dass Berlin und Brandenburg verstehen, dass Film mehr ist als nur das Beglücken von Filmkünstlern und er der Stadt viel an Imagewerbung bringt.

Kann dieser Konkurrenzkampf unter den Filmförderregionen zu dem führen, was man früher „Stupid German Money“ nannte?
Niehuus: Nein. Bei aller Konkurrenz an der Oberfläche fördern wir doch gemeinsam Filme. Über die anderen kann ich in dieser Frage nichts sagen. In Berlin ist es nicht der Fall.

Welche Möglichkeit gibt es, den deutschen Film international zu positionieren?
Niehuus: Zum Teil gelingt das bereits. Filme wie „Lola Rennt“ oder „Das Parfüm“ waren international sehr erfolgreich. Wen man von einem internationalen Markt spricht, dann muss man aber zwischen Europa, Amerika und Asien unterscheiden. Die Action-Serie „Der Clown“ verkauft sich in Asien wie geschnitten Brot, deutsche Komödien dagegen überhaupt nicht. Komödien werden nur ganz selten über ihre Grenzen hinaus verkauft. Das gilt auch für Frankreich. In den USA schaut sich das Publikum keine untertitelten oder synchronisierten Filme an. Wir sind in Deutschland mit synchronisierten Filmen aufgewachsen. Das beschränkt letztlich den Markt. Alle europäischen Filme leiden unter dieser Sprachbarriere. Auf der anderen Seite wird der Anteil der Erlöse der amerikanischen Produktionen auf dem nichtamerikanischen Markt immer größer.

Ein Großteil der Filme, die wöchentlich in Deutschland starten, kommt aus den USA. Hollywood bedient alle Sparten und Genres. Der erfolgreiche deutsche Film reduziert sich dagegen meist auf Komödien oder Kinderfilme.
Niehuus: Das europäische Kino ist weniger ein Genre-, denn ein Autorenkino. Thriller etwa funktionieren beim deutschen Publikum praktisch nie. Wenn man es sich als Filmmacher ganz schwer machen wollte, sollte man sich also an einem Thriller versuchen. (lacht)

Können sie erklären, woran das liegt?
Niehuus: Ein gängiges Erklärungsmuster ist, dass es im Fernsehen schlicht viele gute Krimis gibt. Der deutsche Thriller kommt beim deutschen Publikum als Krimi an und für einen Krimi geht man nicht ins Kino.

Welche Bedeutung haben Filmfestivals für die Filmlandschaft?
Niehuus: Filmfestivals sind ein wesentlicher Baustein der Filmregion Berlin-Brandenburg. Berlin allein hat mindestens 20 etablierte Festivals und weitere 40 in unterschiedlichsten professionellen Ausprägungen. Sie sind eine wichtige Plattform für den Nachwuchs. Junge Filmemacher können sich ausprobieren und viele der Festivals sind sehr gut besucht. Das zeigt, dass wenn man eine Dachmarke schafft, das Publikum auch hingeht. Dahinter steckt ein ähnliches Prinzip wie bei der Langen Nacht der Museen. Wenn etwa ein polnischer Film allein läuft, hat er es schwer, Aufmerksamkeit zu generieren. Aber wenn sich der Zuschauer eine Woche lang polnische Filme anschauen kann, funktioniert das.

1 2