Im Gespräch mit FilmFestivalLife-Gründer Luca Zamai

Aufmerksamkeit für die eigene Arbeit schaffen


FilmFestivalLife-Gründer Luca Zamai

FilmFestivalLife-Gründer Luca Zamai

Luca Zamai ist CEO und Gründer von FilmFestivalLife, einer Online-Plattform, die es Filmemachern erleichtern soll, ihren Film zu promoten und das richtige Festival für diesen zu finden. Seit knapp vier Jahren widmet er sich nun seinem Projekt. Zamais Karriere begann allerdings als Kameramann, später inszenierte und produzierte er zahlreiche Kurzfilme, darunter den preisgekrönten Kurzfilm „Niemand liebt dich so wie ich„. Wir haben uns mit ihm über die komplexen Schwierigkeiten im Filmebereich, die Filmvermartkung, die Rolle der Neuen Medien und natürlich über sein Startup unterhalten.

Luca, wie wird man vom Filmemacher, also Kreativem, zum Filmförderer, sprich Organisator?
Der Aufbau eines Startups ist dem Filmemachen gar nicht so unähnlich. Von der Ideenfindung über Teambildung, Finanzierung, Umsetzung und Vermarktung geht man die gleichen Schritte. Bloß der Gegenstand, das „Produkt“ ist anders. Als Filmemacher ist man bestrebt, andere Menschen über ein paar Stunden auf eine innere Reise mitzunehmen. Als Unternehmer kann man deren Alltag betreten, prägen, verändern – hoffentlich verbessern. Das ist ein mächtiger Motor. Außerdem ist es in der Filmbranche schwer – bei vergleichbarem Risiko – etwas Nachhaltiges aufzubauen. Das lokale Filmfinanzierungssystem ist dabei eher ein Hindernis starke Unternehmen und damit solide Existenzen aufzubauen. Es verlockt dazu projektbezogen, also kurzfristig zu denken. Ich wollte mich letzendlich nicht zum Sklaven eines aus meiner Sicht suboptimalen Systems machen. Die Aussicht mit FilmFestivalLife etwas aufzubauen, das zur Entwicklung der Industrie beiträgt und mir langfristig Unabhängigkeit verschaffen kann, war für mich ein größerer Anreiz, als weiter dafür zu kämpfen, bestimmte Filme machen zu „dürfen“.

Du warst mit Deinen Kurzfilmen, u.a. „Niemand liebt dich so wie ich
, recht erfogreich in der Welt unterwegs und hast viele Festivals besucht. Kennst aber auch die Nöte – vor allem der unabhängigen Filmemacher. Welche Hürden müssen Filmemacher überwinden?
Obwohl meine Filmemacherzeit nur wenige Jahre zurückliegt, komme ich aus einer grundlegend anderen Zeit. Als ich mit meinem letzten Kurzfilm unterwegs war (2007/08), waren Festivals die einzige Möglichkeit für einen Film (mal abgesehen von Blockbustern), eine gewisse Öffentlichkeit zu erreichen. Nun gibt es Breitband-Internet und das Social-Web mit all seinen Möglichkeiten. Der Stellenwert von Festivals hat sich damit verschoben. Sie haben ihr Alleinstellungsmerkmal zum Teil verloren und müssen sich neu positionieren. Die Hürde für Filmemacher ist aber die gleiche: Aufmerksamkeit für die eigene Arbeit in einem sehr stark umstrittenen Umfeld zu schaffen. Die Aufgabe ist mit dem Internet umso schwieriger geworden. Die Konkurrenz ist gewachsen. Jeder kann einen Film drehen und auf den Markt werfen. Das führt nicht zwangsläufig zu mehr guten Filmen. Es wird bloß schwieriger, die herausragenden Filme zu entdecken. Filmemacher sind plötzlich gezwungen, viel aktiver in Felder zu gehen, die nichts mit dem Filmemachen zu tun haben, wie Social-Media-Kampagnen, Crowdfunding, Sourcing, FanBuilding oder Selbstvertrieb. Wenn man früher „einfach“ ein bisschen Recherche betrieben hat, eine DVD in einen Umschlag stecken und an ein paar Festivals schicken musste, muss man heutzutage ein Alleskönner sein; bzw Leute um sich scharen können, die nicht vorhandene Kompetenzen decken. Dennoch – um zu den Festivals zurückzukommen – spielen diese für den Erfolg von Filmen nach wie vor eine maßgebliche Rolle. Zum einen bleiben sie Umschlagplatz – Käufer und Festivalscouts bevorzugen die menschliche Begegnung, die kollektive Erfahrung und werden noch eine ganze Weile Festivals als Marktplatz verstehen. Zum anderen bieten Festivals nach wie vor die effektivste Möglichkeit, sich in einem Kontext zu präsentieren, der dazu da ist, die Spreu vom Weizen zu trennen, Siegel zu vergeben, die für die Vermarktung von Filmen umso wichtiger werden, da das Angebot so überwältigend wächst. Man ist also gut beraten, eine Strategie und Partner zu haben. Dabei muss man differenzieren, ob man mit einem Kurz- oder Langfilm unterwegs ist. Der Markt für Kurzfilme ist noch schwieriger zu erobern.

Was muss man als Filmemacher an organisatorischem Aufwand leisten, um seinen Film bei internationalen Festivals einzureichen?
Es ist verhältnismäßig leicht, einen Film bei einem Festival einzureichen. Die meisten haben einen offiziellen Open Call, also einen Zeitraum von ein paar Monaten, in denen das Festival Filmvorschläge annimmt, aus denen es schließlich das Programm zusammenstellt. Dafür muss man lediglich ein Formular ausfüllen und den Film in der vom Festival bevorzugten Form vor der gestellten Deadline einreichen. Aufwändig wird es, wenn man den eigenen Film über einen Zeitraum von zwei Jahren, die übliche Festivallebenszeit eines Films, im Festivalzirkus halten möchte. Dann summiert sich der Aufwand schnell auf hunderte von Formularen, Regularien, Ausnahmen, individuelle Wünsche über Formate, Rechteübertragungen, Vermarktungsmöglichkeiten und sonstige Konditionen. Man muss dies alles assimilieren, respektieren und koordinieren. Essentiell ist es, die Auswahl der Festivals zu strukturieren und vor allem einen Plan als Teil einer übergeordneten Vermarktungsstrategie zu haben. Man muss wissen, welche Festivals für den eigenen Film in Frage kommen, optimale Plattform für die eigene Arbeit sein könnten, welche sich gegenseitig ausschließen (Premierenkonflikte), wann die jeweiligen Deadlines sind, wann die Entscheidungen kommuniziert werden, wann man den Plan anpassen muss. Man sieht sich also vor einem Kalender voll Optionen, Deadlines, Festivaldaten. Ist man eingeladen, stehen die Kopiendisposition und Reiseplanung an, schließlich die Festivalteilnahme. Sisyphos lässt grüßen.

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