„Man for a Day“ von Katarina Peters


Aus Eva-Maria Torhorst alias Walter

Eva-Maria Torhorst alias Walter

Rollentausch

Es hat etwas Irritierendes, wenn ein Mann, der nur in weißem Hemd, Socken und Schuhen bekleidet auf einer Bühne erst mit einem Bier in der Hand breitbeinig sitzt und dann ganz langsam anfängt, die aufreizenden Bewegungen einer Striptease-Tänzerin nachzuahmen. In dieser Szene, die erst am Ende des Films zu sehen ist, wird dem Zuschauer noch einmal bewusst, dass die Gender-Aktivistin und Performance-Künstlerin Diane Torr ihr Handwerk beherrscht. Irritation durch das Aufbrechen von Geschlechter-Zuschreibungen sind das Tagesgeschäft der gebürtigen Schottin. In den Achtzigern avancierte sie in der New Yorker Drag-Szene zur bekanntesten Female-to-man-Performerin, beschäftigte sich sowohl mit Gendertheorien und Pro-Porno-Debatten als auch mit Kampfsport und Shiatsu, tanzte als Gogo-Tänzerin und studierte Kunst. Die deutsche Regisseurin Katarina Peters ist mit der Künstlerin seit dreißig Jahren befreundet und hat Torr bei einem ihrer Kurse in Berlin begleitet, die  „Man for a Day“ heißen. Unter Torrs Anleitung können hier Frauen die Erfahrung machen, wie es ist, für einen Tag ein Mann zu sein. Daraus wurde ein Dokumentarfilm, der gradlinig erzählt, wie die Teilnehmerinnen auf ihre temporäre Geschlechtsumwandlung reagieren und was sie von diesen Erfahrungen mit in den Alltag nehmen.

Dass Torr dabei keine Kompromisse eingeht, wird von Anfang an klar: Schon bei der Auswahl der Kleidung kommt es zu ersten Meinungsverschiedenheiten, was Männlichkeit überhaupt bedeutet. Eine Teilnehmerin möchte ihre langen Haare unter einem Hut verstecken. „Männer tun so etwas nicht““legt Torr die Stereotypen streng fest. „Du kannst die Haare entweder abschneiden oder zu einem Pferdeschwanz zusammenbinden.“ Etwas verstaubt wirkt die rothaarige, burschikose Frau, die ihr Alter nicht Preis gibt, aber zwischen fünfzig oder sechzig sein muss dann doch, als sie die jungen Mädchen aus ihrem Kurs fragt, warum ihre Hosen als Jungs soweit herunter hängen. Dabei darf sich jede der Teilnehmerinnen ihren „Mann“ aussuchen. Auffällig ist dabei, dass die Alter Egos in den seltensten Fällen Sympathiefiguren sind. Fast alle Teilnehmerinnen des Kurses haben schlechte Erfahrungen mit Männern gemacht, von sexuellem Missbrauch über Scheidung und körperlicher Gewalt. „Männer sind ein großes Buch mit Fragezeichen„, findet etwa die Schönheitskönigin von Oberhavel Susann. Eva-Marie beneidet als Politikberaterin der Grünen Männer eher um die „Windstille„, in der sie sich bewegen können und die Israelin Tal möchte einmal so ein tougher Kerl sein, dass sie dem Mann, der sie missbraucht hat, Angst einjagen kann.

Auch Torrs Alter Ego, Danny King, ist kein Sympath. Dabei spielt sie den emotionslosen, patriarchalen Familienvater schon seit über zwanzig Jahren. In Videoaufnahmen sieht man, wie Torr als Danny King im Namen der amerikanischen Gesellschaft für Männer mit überzogener Strenge dafür wirbt, „wie man sich Respekt erwirbt und bewahrt“ – und ist erleichtert: Die Frau ist keine verbiesterte Alt-Feministin, die es darauf angelegt hat, ein Ventil für ihren Männerhass zu finden. Ihr Blick auf die Männerwelt ist bisweilen humorvoll, fast schon wissenschaftlich und ja, manchmal etwas altbacken. Da wirkt es erfrischend, das Susann und eine andere Teilnehmerin als frisch  gewordene Männer erst einmal in eine Table-Dance-Bar gehen, um zu sehen, wie es ist, wenn man einer Tänzerin einen Schein in den Ausschnitt steckt. Verblüffend ist, dass gerade die unscheinbaren Frauen zu den überzeugendsten Männern heranreifen. Und dass Torrs Tipps, mit den Details zu spielen, tatsächlich Wirkung zeigen: Nie die Hände in den Hüften stemmen oder gar mit ihnen gestikulieren. Immer mit dem Kopf und den Augen gleichzeitig schauen. Und vor allem: Nur sehr selten lächeln.

Dass die Frauen nach dem Workshop noch einmal in ihren jeweiligen Alltagssituationen gezeigt werden, wirkt etwas nachgeschoben. Überhaupt erfindet Katarina Peters das Rad mit „Man for a Day“ nicht neu: Sie reiht sich vielmehr in die Erzählweise derjenigen Dokumentarfilmer ein, die während ihres Drehzeitraumes die Entwicklung ihrer Figuren verfolgen. Dass aus „Man for a Day“ dennoch ein bemerkenswerter Film geworden ist, liegt an der starken Persönlichkeit der Hauptfiguren.

Cosima M. Grohmann

Man for a Day Regie/Drehbuch: Katarina Peters, Kinostart: 19. Juli 2012