Afrikamera: Florian Wachinger über Kino aus Afrika


Florian Wachinger

Florian Wachinger

Florian Wachinger gehört zu den Gründungsmitgliedern des gemeinnützigen Vereins toucouleur e.V., der nun zum dritten Mal das Filmfestvial Afrikamera im Kino Arsenal (18. bis 21. November) veranstaltet. Mit ihm sprachen wir über die Organisation des diesjährigen Festivals und die Zukunft des afrikanischen Films.

Wie kam das diesjährige Programm zu Stande bzw. unter welchen Aspekten entstand es?
Florian Wachinger:  2010 ist nicht nur das Jahr der ersten Fußball-Weltmeisterschaft auf afrikanischem Boden. Es ist auch das Jahr, an dem 50 Jahre nach dem Ende der Kolonialherrschaften diskutiert wird, wo Afrika heute steht. In diesem Zusammenhang hat sich unser diesjähriges Thema „African Leaders, African Future, African Movies“ herausgebildet. Wir wollten schauen, ob und wie sich die afrikanischen Filmemacher der „post-independence“-Generation mit Kolonialismus und Postkolonialismus auseinandersetzen. Bei der Recherche sind wir überrascht worden, wieviel hochwertiges Material es gibt. Und auch davon, wie diese Geschichten erzählt werden. Die Filmemacher zeigen die Menschen, die das Afrika in der Vergangenheit und Gegenwart prägten und prägen und dabei neben Geschichte auch immer Geschichten überliefern. Auch auch wenn es sich um gesellschaftlich engagiertes Kino handelt, kommt gerade auch in den Spielfilmen die Unterhaltung nicht zu kurz.

Hat die Fußballweltmeisterschaft und der damit verbundene Fokus auf Südafrika etwas in der Filmwelt vor Ort verändert?
Wachinger: Das lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Sicherlich gibt es auch Dank der Fußballweltmeisterschaft international ein gesteigertes Interesse an afrikanischen Themen. Wir zeigen mit „Un homme qui crie“ und der südafrikanischen Produktion „Shirley Adams“ zwei Produktionen, die in Cannes und Locarno eine große Aufmerksamkeit erlangt haben. Und so etwas wirkt sich mittelfristig gewiss positiv auf die Filmwelt in Afrika aus. In Südafrika und Nigeria – Stichwort „Nollywood“ –  entwickelt sich die lokale Filmindustrie recht rasant. In anderen Regionen ist die Situation ungleich schwerer. Diese schwierige Situation ist auch genau das Thema unserer Podiumsdiskussion, die wir am Festivalsamstag im Arsenal gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und der Heinrich-Böll-Stiftung durchführen. Das Panel steht unter dem Thema „Afrikanisches Kino: Motor für Entwicklung und Plattform für freie Meinungsäußerung“. Es geht unter anderem um die Frage, wie die Zukunft des afrikanischen Kinos aussehen kann. Wie lässt sich eine Filmwirtschaft etablieren, wenn es sogar an grundlegenden Strukturen für den Import und Verleih von Filmen mangelt? Wenn Protektionismus den Austausch erschwert, es an technischer Infrastruktur mangelt und keine eigenen Fachkräfte im Filmbereich ausgebildet werden. Zu Gast wird unter anderem Gaston Kabore´ sein, ein burkinischer Filmemacher, der letztes Jahr in der Berlinale-Jury saß und mit seiner Filmschule „Imagine[1]“ in Ougadougou Großes für die Aus- und Weiterbildung junger afrikanischer Filmschaffender leistet.

Was kann so ein Festival wie Afrikamera hierzulande leisten?
Wachinger: Uns geht es darum, dem Publikum mit Hilfe des Mediums Film die ganze Vielfalt des afrikanischen Kontinents zu zeigen. Afrika ist eben nicht nur geprägt durch Gewalt, Krankheiten und Naturkatastrophen. Diesen stereotypen Bildern und Meinungen über den Kontinent stellen wir die vielfältigen Facetten des alltäglichen Lebens in Afrika gegenüber. Die Eindimensionalität der Sichtweisen auf das heutige Afrika zu durchbrechen, dazu kann ein Filmfestival gewiss seinen Anteil zu leisten. Und natürlich ist Afrikamera eine Plattform des Dialogs zwischen afrikanischen Filmemachern und dem Berliner Publikum, zwischen Filmschaffenden, Produzenten und Verleihern.

Welche Chancen räumen sie Filmen aus Afrika für die Zukunft ein?
Wachinger: Wir glauben an die Zukunft des Afrikanischen Kinos, deshalb machen wir dieses Festival. Und wir wünschen uns natürlich, dass das Interesse am aktuellen Spiel – und Dokumentarfilmen hierzulande wächst. Afrikamera konnte in den letzten Jahren einen stetig wachsenden Zuschauerzuspruch verbuchen. Vielleicht ist das ja ein gutes Omen für die Zukunft von Filmen aus Afrika im Allgemeinen.

Welcher der diesjährigen Filme hat Sie persönlich bewegt?

Wachinger: Die „Madagaskar Shorts“, ein Programm mit Kurzfilmen aus Madagaskar.  Wir zeigen im Rahmen des Festival am Freitag Abend eine Auswahl von elf Kurzfilmen des madagassischen Festivals „Rencontres Nationales du Film Court Madagascar“, bei dem unser künstlerischer Leiter Moussa Sawadogo in diesem Jahr zu Gast war. Diese Filme sind unter schwierigsten Bedingungen in Madagaskar entstanden. Wie sie von der Vielfalt und Schönheit einerseits und von den Herausforderungen des Alltags der Pazifikinsel andererseits erzählen, ist wirklich berührend. Was viele nicht wissen, in Madagaskar gibt es eine ausgeprägte Animationsfilmtradition. Entsprechend besteht das Programm fast zur Hälfte aus Trickfilmen. Zwei der Filmemacher, Laza und José Rakotobé, werden extra für die Vorstellung nach Berlin kommen. Darüber freuen wir uns natürlich besonders.

Interview: Martin Daßinnies