Berlinale 2011


Filmszene: "True Grit"

Filmszene: "True Grit"

Wenn am Donnerstag, den 10. Februar, die Coen-Brüder samt Hauptdarsteller Jeff „The Dude“ Bridges und Josh Brolin im Blitzlichtgewitter neben Berlinale-Direktor Dieter Kosslick posieren, öffnen die 61. Internationalen Filmfestspiele Berlin die Tore zu ihrem Berlinale Palast. „True Grit“ ist der bisher an den Kinokassen erfolgreichste Film der hoch dekorierten Coen-Brüder und hat bisher mehr als 150 Millionen Dollar an den US-Kinokassen umgesetzt. Diese Tatsache zeigt, dass es Kosslick und seinem Team mehr als nur eine Mühe Wert war, die beiden Genies im Aushängeschild der Berlinale zu präsentieren: Dem Wettbewerb. Dort tritt das Western-Remake von „Der Marshall“ (1969), für den John Wayne seinen einzigen Oscar einheimste, außer Konkurrenz an und feiert in Berlin keine Weltpremiere, sondern nur seine internationale Premiere. Einen Favoriten unter all der Filmkunst zu küren (fast 400 Filme werden auf der Berlinale gezeigt) ist nahezu unmöglich und doch steht schon ein Gewinner fest: Die regionale Filmförderung Medienboard Berlin-Brandenburg freut sich über gleich acht Filme im Heimspiel Wettbewerb. Die Welt der Filmkunst rückt offenbar zusammen und findet in deutschen Gefilden beste Bedingungen vor. „Diese Entwicklung zeigt deutlich, dass deutsche Produzenten, ein Gespür für internationales Talent haben, dass sie international anerkannt sind und nicht nur Geldbesorger.„, erklärte uns die Chefin der Filmförderung beim Medienboard Berlin-Brandenburg Kisten Niehuus im Interview.

Unter den Medienboard-Produktionen finden sich mit dem archaisch-wuchtigen „Das Turiner Pferd“ von Belá Tarr ein sperriger Festival-Arthouse in Schwarzweiß und mit „Wer wenn nicht wir„, dem Spielfilm-Debüt vom Dokumentarfilmer Andreas Veiel, gleich zwei echte Berlinale-Empfehlungen. Veiel widmet sich der RAF-Romanze zwischen Gudrun Ensslin und Bernward Vesper und brachte schon vor dem ersten Screening die Presse in Wallung. In der taz erklärt Wolfgang Gast in „Jörg Schröder und die RAF-Urszene“ den Unmut seines taz-Kollegen Jörg Schröder über Veiel, der „die ´Urszenen der RAF als Seifenoper´ abbilde„. Weniger kontrovers, aber mit nicht weniger Spannung wird „Coriolanus„, das Debüt von Schauspieler Ralph Fiennes erwartet, der das um 1607 entstandene Shakespeare-Stück um den römischen Kriegshelden Coriolanus in die Jetztzeit transportiert und  seine „Krieger“ mit halbautomatischen Waffen gegeneinander antreten läßt. Dabei ist anzunehmen, dass das Werk nicht annähernd so poppig ausfällt wie dereinst Baz Luhrmanns Interpretation „William Shakespeares Romeo & Julia“ (1996) mit DiCaprio und Claire Danes in den Hauptollen.

Das Panorama widmet sich innerhalb der Internationalen Filmfestspiele insbesondere dem Arthouse, der Filmkunst. Einen traditionellen Fokus legt die Sektion von Kurator Wieland Speck, es ist mittlerweile seine 30 Berlinale, auf den schwullesbischen Film. Numerisch stark in der Konkurrenz: der indische und der koreanische Film. Jeweils drei Arbeiten gehen ins Rennen um die Publikumspreise. Vergeben werden in diesem Jahr erstmals zwei davon, je einen für den besten Spiel- und Dokumentarfilm. Ein Trend zeichnet sich schon vor Beginn ab: Laut Wieland Speck werden die Panorama Filme „jünger und billiger„, freilich ohne an Qualität einzubüßen. Dass die Qualität im queeren Kino, das der Zeitgeist als „New Queer Cinema“ beschreibt, steigt, zeigt der Teddy Award. Den von Speck vor 25 Jahren mit auf den Weg gebrachten Preis kopieren mittlerweile Filmfestivals weltweit. Der im letzten Jahr ausgezeichnete Film „The Kids Are Allright“ von Lisa Cholodenko wurde sogar für den Oscar nominiert.

Filmszene: "The Devils Double"

Filmszene: "The Devils Double"

Mit Spannung ist Peter Dörflers neue Doku „The Big Eden“ in den Panorama Dokumenten zu erwarten. Der Regisseur überraschte 2009 mit dem überaus gelungenen „Achterbahn“ und nimmt sich nun den Berliner Playboy Rolf Eden vor. Ein in Sundance erprobtes Experiment findet im Berliner Friedrichstadtpalast seine Wiederholung: „Life In A Day“ (von Kevin Macdonald) verknüpft ein weltweites Filmetagebuch, gefilmt am 24. Juli 2010 und von unzähligen Usern hochgeladen auf die Internet-Video-Plattform Youtube, zu einer Kollage. Speck erkennt im Film einen „großen Moment für das Internet, um sich zu präsentieren.“ Bei den Spielfilmen seien Lee Tamahoris (Bond-Regisseur) Irak-Actionfilm „The Devil’s Double“ und „The Guard“ von John Michael McDonagh erwähnt, zwei Autorenfilmer, die für das Genrekino im Panorama stehen. Sinnlicher geht es in „Chang-Pi-Hae“ (Kim Soo-hyun) zu, dem ersten Film mit lesbischen Protagonisten aus Korea.

Gemeinsam mit dem Forum präsentiert das Panorama das aus deutscher Sicht wohl spannendste Werk: Das Tripplefeature der Geschwisterfilme „Dreileben„. Drei eigenständige, sich aber begegnende Fernseh-Filme der Berliner-Schule-Regisseure Petzold, Graf und Hochhäusler. Dreimal 90 Minuten, die auf einen Mailwechsel der drei Regisseure gründen, in dem sie sich über Filmästhetik, die Berliner Schule, Deutschland und das Genre austauschten. Natürlich hat das Forum nicht nur hiesige Filmkunst zu bieten. Sektionsleiter Christoph Terhechte hebt die Tschechische Republik „als Nachbarland, das sich entwickelt“ hervor und verwies exemplarisch auf „Nesvatbov„. Erika Hníková zeigt darin den paradoxen Kampf eines Dorfbürgermeisters gegen die drohende Vergreisung seiner Heimat.

Filmszene: "Der Preis"

Filmszene: "Der Preis"

Die Perspektive Deutsches Kino feiert in diesem Jahr ihr 10jähriges Jubiläum und zeigt ein Programm aus insgesamt elf Filmen, darunter fünf Dokumentarfilme. Viel Sperriges darf darunter erwartet werden. Linda Söffker, die neue Kuratorin der Sektion und Nachfolgerin von Alfred Holighaus, setzt zwar auf Filme, die Kinopotential haben, versucht aber mit ihrer Auswahl den Spagat zwischen Ambition und Publikumswirkung. Eröffnet Sektion mit einem Dokumentarfilm: Die bisher vor allem als Cutterin arbeitende Sandra Trostel begleitet in ihrer ersten Regiearbeit „Utopia Ltd.“ die junge Hamburger Punkband „1000 Robota“ auf ihrem Weg zur Selbstdefinition in einer stark kommerzialisierten Musikwelt. Ein weiteres Bonbon ist sicherlich Elke Haucks zweiter Spielfilm „Der Preis„, in dem die in Riesa aufgewachsene Regisseurin auf eine Jugend in der DDR zurückblickt. Angelehnt an das „Direct Cinema“ dokumentiert Nicolas Steiner in seinem Schwarz-Weiß-Film „Kampf der Königinnen“ die Touristenattraktion von Kuhkämpfen in einer Arena in Aproz, in den Schweizer Alpen. Er bricht die reine Beobachtung in einem ästhetisch überhöhten Ringkampf-Finale, das durch das von John Gürtler und Jan Miserre arrangierte Perkussion-Bataillon von Pauken und Kuhglocken und diversen Alp- und Kuhhörnern noch unterstrichen wird. Die beiden jungen Filmemacher Lisa Sperling und Florian Kläger zeichnen in ihrem Debüt-Dokumentarfilm „Stuttgart 21 – Denk mal!“ die Entwicklung einer der größten Bürgerinitiativen in Deutschland seit vielen Jahren nach. Eine Protest, der sich nur vordergründig im Kampf um den neuen Stuttgarter Bahnhof ausgedrückt hat. Ebenfalls seine Premiere feiert Ziska Riemanns Langfilm „Lollipop Monster“, in dem die Regisseurin zwei Teenager durch eine popkulturelle Tour de Force führt.

tausche Tasche

tausche Tasche

In den kommenden zehn Berlinale-Tagen werden wir täglich gemeinsam mit unserem Medienpartner kino-zeit.de täglich vom Festival berichten. Eine Anmerkung in eigener Sache sei uns an dieser Stelle noch gegönnt: Pünktlich zum Festivalstart verlosen wir jeden zweiten Tag auf unserer Facebook-Seite eine tausche-Tragetasche, für die die Berliner Designer exklusiv einen Deckel mit unserem Logo entworfen haben.

Text: Denis Demmerle/Martin Daßinnies