Berlinale-Blog: Blick zurück nach vorn (1)


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In den kommenden zehn Berlinale-Tagen präsentieren wir euch neben vielen hoffentlich spannenden Interviews und Berichten rund um die Berliner Filmefstivals gemeinsam mit dem befreundeten Onlinemagazin kino-zeit.de einen täglichen Blog. Mögen die Spiele beginnen, wir freuen uns drauf und werfen zuerst einen Blick zurück nach vorn.

Wir schreiben das Jahr 1998, Berlinale-Direktor Moritz de Hadeln steht in der Kritik, Clint Eastwood (mit „Midnight in the Garden of Good and Evil„) und Martin Scorsese (mit Kundun„) sagten der Berlinale doch noch ab, um lieber im sonnigen Cannes ihre Premiere zu feiern. Dazu konnte sich das Wettbewerbsgremium nicht durchringen, Roberto Benignis „La vita è bella“ („Das Leben ist schön„) ins Rennen zu schicken. Jenes Jahr steht geradezu paradigmatisch für die zunehmende Konkurrenz und den wachsenden kommerziellen Druck, der auf der Berlinale lastet, die sich gegen die anderen renommierten Festivals aus Cannes und Venedig behaupten muss, während Rotterdam und das dortige Festival aufholen.

Die Sorgen vor 13 Jahren wirken in der Retrospektive und des damaligen Jahrgangs fast unwirklich. Traten doch stargespickte US-Streifen wie Quentin Tarantinos „Jackie Brown„, Barry Levinsons „Wag the Dog“ oder Alfonso Cuaróns „Great Expectations“ („Große Erwartungen„) gegen Winterbottoms „I want you“ und Jim Sherdians „The Boxer“ an, um letztlich Walter Salles´ „Central do Brasil“ zu unterliegen. Doch nicht nur die Erwähnten mussten sich geschlagen geben. Im Wettbewerb unterlagen auch die Gebrüder Coen mit „The Big Lebowski“ und einem unvergesslichen Jeff „The Dude“ Bridges in der Hauptrolle.

Filmszene: "True Grit"

Filmszene: "True Grit"

Zurück im Jahr 2011 sind auch die Coens wieder da. Zum ersten Mal seit 1998. Sie eröffnen mit ihrem Western-Remake True Grit“ die 61. Internationalen Filmfestspiele Berlin. Schon bevor sich der Berlinale Palast verdunkelt, wissen sie, der Film ist ihr erfolgreichster, hat in den USA schon über 150 Millionen eingespielt und ist für ganze zehn Oscars nominiert. Seine Premiere feierte er schon vor Weihnachten in ihrer amerikanischen Heimat. In Berlin startet er außer Konkurrenz im Wettbewerb und feiert „nur“ seine internationale Premiere. Und dennoch ist er mehr als nur einer von 385 Filmen des Jahres, von denen 99 aus Deutschland kommen und immerhin vier in 3-D zu bewundern sind. Er ist einer der wenigen des Jahres 2011, der mit dem „Dude“ Bridges, Josh Brolin und der schwer beeindruckenden, erst 14-jährigen Hailee Steinfeld mit echten Stars aufwartet. Das Ensemble brilliert unter der Coen-Anleitung. Ihnen gelingt eine vollkommen andere Umsetzung der Romanvorlage „Der Marshall“ von Charles Portis, die schon 1969 von Henry Hathaway verfilmt wurde und damals dem legendären John Wayne zu seinem einzigen Oscar verhalf. Coenesque besticht „True Grit“ mit perfekt inszenierten Figuren, feiner Ironie und traumhaften Kameraeinstellungen.

Dementsprechend entspannt geben sich die fünf auf der Pressekonferenz, die sich mit zunehmender Dauer zur Josh Brolin-Show entwickelt. Der alternde Beau feixt mit den Kollegen auf der Plattform, während die drei von den beiden Coens umrahmten Hauptdarsteller charmant selbst Fragen nach Lieblings-Süßigkeiten ertragen. (Brolin antwortet übrigens kopfschüttelnd: „Klapperschlagen!„…) Sie spielen dort oben ebenso perfekt, wie sie es vor der Kamera tun. Sie kennen ihre Rollen und verteilen brav gegenseitige Komplimente, wie Joel Coen, der Bridges als „a different animal“ im Vergleich der Rollen des Dude und Rooster Cogburn bezeichnet, während Bridges in aller Gemütsruhe das Erfolgsrezept der Coens verkündet: „Die Leute verstehen langsam, wie großartig die Coen-Brothers sind“ und spielt darauf an, dass die nicht minder famosen Vorgänger-Werke der beiden Wunder-Regisseure an den Kassen nicht ganz so erfolgreich waren. Bridges, die Coens, Brolin und die junge Hailee Steinfeld sind Stars des internationalen Kinos. Sie tun der Berlinale gut.

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Sicherlich sind Colin Firth, Kevin Spacey, Ralph Fiennes und Helena Bonham Carter, die in den kommenden zehn Tagen erwartet werden, ebenso Stars der A-Kategorie, doch sie stehen sicher nicht neben einem de Niro, der 1998 gleich mit zwei Filmen zu Gast war, auf ein und derselben Stufe. Müssen sie auch nicht, wenn sie für großartige Filme und Festivalmomente sorgen. Der aktuelle Jahrgang muss sich seine Sporen mit dem verdienen, was auf der Leinwand passiert. Es geht in 2011 nur zweitrangig darum, in kürzeren oder längeren Blitzlicht-Salven zu verharren.

Enden möchte ich mit den Worten von Regisseur Walter Salles. „Er erinnert sich an die „Geburtsstunde“ seines Films „Central do Brasil“ vor einem leidenschaftlichen Berlinale-Publikum“, wie es im 1998er Jahresblatt der Berlinale heißt: „Damit sich die Mühe und Leidenschaft bei der Zeugung eines Films lohnen, muss der Moment der ersten Begegnung mit dem Publikum, seine Geburtsstunde, sehr sorgfältig gewählt werden… Nie werde ich den Tag vergessen, an dem ich erfahren habe, dass „Central do Brasil“ für die Berlinale ausgewählt worden war … Natürlich werde ich auch niemals vergessen, wie der Film den Goldenen Bären und Fernanda Montenegro den Silbernen Bären als beste Schauspielerin gewonnen haben. Aber es gibt einen Moment, der diese bedeutenden Ereignisse noch übertrifft: die erste Begegnung des Films mit dem Berliner Publikum im Zoo-Palast.

Denis Demmerle