Berlinale-Blog: Die Berlinale blickt auf den Iran (2)


Jafar Panahi, Foto:Berlinale

Jafar Panahi, Foto:Berlinale

Panahi: „Ich wurde zu 20 Jahren Stillschweigen verdammt.

Emotionaler Höhepunkt der gestrigen, feierlichen Berlinale-Eröffnung war sicherlich der Moment, in dem die Jury-Präsidentin Isabella Rosselini einen Brief ihres Jury-Kollegen Jafar Panahi vorlas, in dem er auf seine Situation im Iran eingeht. (hier der ganze Brief) Panahi durfte sein Berlinale-Ehrenamt als Juror nicht antreten, weil er nicht nach Berlin reisen durfte, genau so, wie er im letzten Jahr nicht nach Cannes durfte – und, wie es scheint, auch die nächsten Jahre nicht reisen dürfen wird. Panahi, der 2006 für seinen Film „Offside“ einen Silbernen Bären gewann, ist in seiner Heimat zu einer sechsjährigen Gefängnis-Strafe und einem 20-jährigen Berufsverbot verurteilt worden. Weil er Filme macht. Filme, die dem Regime um Ahmadinedschad nicht passen, weil sie Probleme ansprechen könnten, die Panahi nicht etwa erfinden müsste, sondern die wahrscheinlich die Realität abbilden könnten. Nämlich das, was der Regisseur in seinem Land beobachtet. Der vielfache Konjunktiv kommt zustande, da der Film, für den Panahi verurteilt wurde, bisher nur zu einem Drittel produziert ist. Panahi wurde also für ein Vergehen verurteilt, das er begehen könnte.

Ein politischer Filmemacher war Panahi bisher nicht wirklich, obgleich Filmemachen im Iran auch immer eine politische Komponente haben muss, da Unbequemes nicht geduldet wird. Entstanden ist so eine sehr metaphorische Bildsprache, die die Zensur umgeht, um die eigene Meinung zum Ausdruck zu bringen. Panahi wird – so er je wieder einen Film drehen darf – von nun an ein politischer Regisseur sein. Sein Name ist, genau wie der seines Kollegen und Leidensgenossen Mohammad Rasoulof, auf ewig mit dem Wahnsinn der Regierung seiner Heimat behaftet. Wobei sich niemand ausmalen will, wie es wohl weniger bekannten Iranern, die den Mächtigen ein Dorn im Auge sind, unter dem Regime ergeht. Außerhalb vom Iran reagiert die interessierte Öffentlichkeit mit Kopfschütteln und tut, was sie tun kann, sie bekundet Solidarität mit den Inhaftierten. In Deutschland färbte die taz ihre Ausgabe und ihren Online-Auftritt grün ein, genau wie Spiegel Online, der Standard aus Österreich und das Magazin für politische Kultur Cicero. Dazu rufen die Medien auf, sich für „Gedankenfreiheit im Iran“ mit einer Petition einzusetzen, bei der jeder mit seinem Namen gegen die Verurteilung der iranischen Filmemacher Jafar Panahi und Mohammad Rasoulof protestieren kann.

Bei all der Anteilnahme der Zivilgesellschaft war die Spannung groß, wie wohl der bei der Pressekonferenz und der Eröffnung angekündigte Protest der Berlinale ausfallen würde. Ausgesucht wurde eigens der 11. Februar, das 32-jährige Jubiläum der iranischen Revolution. Das politische Filmfestival, als das sich die Berlinale versteht, positionierte sich im Vorfeld recht eindeutig, indem es den Regisseur nicht nur als Juror einlud, sondern seine Filme in allen Festivalsektionen laufen lässt. Dort begleiten Filmpaten wie Rafi Pitts („It´s Winter„), Jasmin Tabatabai (u.a. „Bandits„) oder Ali Samadi Ahadi die einzelnen Vorführungen und sensibilisieren. Gerade Ahadi, dessen animierte Kollage „The Green Wave“ (Kinostart 24.2.) die „Grüne Revolution“ im Iran thematisiert, setzt aktuell ein Zeichen und setzt sich für den Kollegen ein, der „im Rahmen der iranischen Gesetzgebung, im Rahmen der Menschenrechtscharta und im Rahmen seiner Berufsethik gehandelt hat„, wie er im Interview betont.

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Leider ließen Dieter Kosslick und sein Team die Chance verstreichen. Vom viel beschworenen Grün, das die Straßen Teherans im Sommer 2009 als Zeichen des Protests säumte, war fast nichts zu sehen, vielleicht mal abgesehen vom quietschgrünen Pulli von Doris Dörrie oder dem grünen Schal von Schauspielerin Pegah Ferydoni. Einziges Zeichen der Sympathisanten waren gedruckte Fotos Panahis. Sonst tauchte nur eine fahrbare Plakattafel im Hintergrund auf, die schnell verschwand. Genau, wie all die Promis, die sich „Offside“ im Berlinale Palast ansehen wollten. Auf ein lautes, vehementes Statement warteten Interessierte, Schaulustige und versammelte Presse vergebens. Es wäre angebracht gewesen.

Hingewiesen sei auf folgende Veranstaltung:
Am 17. Februar organisieren der Berlinale Talent Campus und der World Cinema Fund die Paneldiskussion „Censored Cinema“ mit iranischen Filmemachern und Künstlern zu den Themen Zensur und Einschränkung der Freiheit und Meinungsäußerung in Iran. Die Regisseure Rafi Pitts („The Hunter„, Berlinale Wettbewerb 2010), Ali Samadi-Ahadi („The Green Wave„, 2010) und Sepideh Farsi („Tehran Without Permission„, 2009), sowie Autorin und Aktivistin Mehrangiz Kar werden an der Diskussion teilnehmen. Die Veranstaltung findet um 14 Uhr im Theater Hebbel am Ufer / HAU1 statt.

Denis Demmerle

Hier noch einige Eindrücke vom Roten Teppich, der doch viel besser ein Grüner gewesen wäre…