Festivalbericht 2011 – Pop ist betrügende Geschichte


Filmszene: "High On Hope"

Filmszene: "High On Hope"

So gab es dann die ersten Techno-Parties an der Ecke Medlock Street/Mancunian Way und den ersten Freiluft-Rave in der Fairfield Street. Mit einem gewissen Restrisiko versehen, denn die Partys waren ja alle illegal, wuchs über Nacht eine Bewegung heran, die für die nächsten zehn Jahre prägend sein sollte. Politischer Protest und Partykultur verschmolzen und damit waren sie wirklich „louder then war“. Soweit der Inhalt des Films. Der Schnitt ist so trocken wie ein Minimal-Techno-Stück. Und wie ein Minimal-Techno-Stück eben zum Weghören einlädt, lädt dieser Film über weite Strecken leider nur zum Gähnen ein. Es bleibt die Erinnerung, dass die Acid House-Szene ein wenig Farbe und Abenteuer in den grauen Alltag brachte. Keine fünf Jahre später wurde es zum knallharten Geschäft. So dauerte es nicht nur seine Zeit, bis Piers Sanderson die Dokumentation fertig bekam, da die Lizenzklagen kein Ende nehmen wollten, sondern es macht sich insgesamt bemerkbar, dass hier letzten Endes die Stechuhr Regie führte. Mr. Sanderson lud außerdem am Samstag zum Anekdotenplausch ins .HBC. Allerdings bleibt es das Geheimnis der Veranstalter, warum diese Gesprächsrunde eine halbe Innenstadt versetzt und drei Tage nach der Festivalerstaufführung stattfinden musste.

Eine Insel

Nach all dem Rock´N´Roll Pubertätszirkus mit nicht enden wollenden Parties, Groupies und zerstörten Hotelzimmern gelingt „An Island„, der Gemeinschaftsproduktion der Band Efterklang und dem Produzenten Vincent Moon, der Spagat, einen Film zu drehen, der nicht nur hochartifiziell, sondern auch breitenkompatibel ist. Das störrendste an Livemitschnitten ist eigentlich immer das Gejohle der Fans. Die Musiker wirken erschöpft. Die Songs scheinen nur noch halb so gut. Das Besondere, das Inszenierte fehlt halt eben. Die besseren Konzertfilme brauchen scheinbar kein Publikum. Die Idee erinnert stark an Pink FloydsLive in Pompeii“ aus dem Jahr 1972. Der Unterschied liegt aber darin, dass der morbide Unterton bei Efterklang fehlt. Eben weil die Insel Alsen, die man zur audiovisuellen Geometrisierung auserkor, kein braches Ödland und Zeuge einer Katastrophe unglaublichen Ausmasses ist. Man begeht sie leichten Herzens. Gehen ist die elementarste, körperlichste, direkteste Art der Bewegung. Dabei ist es schwer zu sagen, ob Efterklang von der Insel aufgeladen wird oder die Insel von Efterklang. Doch es ist klar, dass die Alsen eine Öffnung erfährt und in den Theatralisierungsprozess der Band gerät.

Filmszene: "An Island"

Filmszene: "An Island"

Der leicht schaurige Charme des Filmes entsteht in erster Linie durch die von Handkameras geprägten Bilder und die kryptischen Monologe, die von Zeit zu Zeit durch das Gebalk des Unterholzes zischen. Im wahrsten Sinne des Wortes wird der Zuschauer Teil einer Regression, denn drei der Bandmitglieder wuchsen in Alsen auf. Wenn man tagträumt, schämt man sich dessen. Wenn man aufgefordert wird, seine Tagträume zu erzählen, lässt das den Zuhörer im Regelfall kalt. Erst wenn der Träumende sein Imaginiertes spielerisch aufbereitet, empfindet der Zuhörer und Zuschauer Wohlgefallen, denn „An Island“ besticht durch seinen rein formal ästhetischen Lustgewinn und so spielt die Band am Ende sogar vor Publikum in der Aula ihrer ehemaligen Schule.

Der Zuschauer kommt sich dabei oft als Wilderer vor. Geheimnisse gedeihen auf dem Hintergrund  eines Verhältnisses von Artikulieren und Nicht-Artikulieren. Efterklang ist dem Zuschauer gegenüber im Vorteil und zwar insoweit, als das der erste dem zweiten zu verstehen gibt, etwas zu verheimlichen. Das Geheimnis wird im Laufe des Filmes aufgelöst. Demzufolge liegt die Wirkung von „An Island“ darin, ein Stück Bandgeschichte recherchierend zu mystifizieren, um den Zuschauer am Ende glücklich in den Abspann zu entlassen.

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