„Delicatessen – Das Berliner Tischgespräch“ im Mai 2011


Programmheft des Jüdischen Filmfestivals

Programmheft des Jüdischen Filmfestivals

Fisser: Das Studio war – wie vieles in der DDR – irgendwann einfach verkommen. Da musste alles erneuert werden. Infrastruktur, Straßen, Leitungen. In der Schlöndorff-Ära ist unserer Meinung nach ein falsches Konzept gefahren worden. Als wir uns damals die Studios angesehen haben, wurden da nur Arthouse-Filme gemacht. Schlöndorff wollte wohl Filme in seinem Sinn durchsetzen. Um die amerikanische Industrie hat sich niemand gekümmert und die deutschen Produktionen wollte man auch nicht haben. So war zum Beispiel für „Jenseits der Stille“ kein Platz. Mit dem großen Vivendi-Konzern aus Frankreich und seinem vielen Geld änderte sich einiges. Als erstes haben die einen 3-Sterne-Koch in die Kantine geholt und jemandem in Los Angeles Unsummen gezahlt, um große Projekte ranzuholen. Als wir zum ersten Mal bei Warner waren, haben die gelacht: He was a nice guy, but they never made business. Das hat einfach nicht funktioniert. Auch von Universal selbst hätte man mehr Produktionen erwartet, doch aufgrund der Kommunikationsstrukturen dort, musste denen bei einem Meeting im Adlon jemand erzählen, dass sie ein Studio hier haben, weil die das nicht kannten. Deren interne Kommunikation war ein Desaster.
BFF: Profitieren Sie davon, in Europa günstiger zu produzieren?
Fisser: Hollywood ist schon immer teurer gewesen. Das liegt an Löhnen, an Gewerkschaften, den Rechten, die jeder Filmschaffende in Los Angeles am Film erwirbt. Hollywood hatte schon immer starke Studio-Standorte, wie Pinewood in England oder in Kanada, weil es da keine Zeitunterschiede gibt und eine starke Förderung. Wir profitierten als Standort von Filmen wie „Der Pianist„, der noch zu Vivendi-Zeiten gedreht wurde und für uns ganz wichtig ist. Als Studio wollten wir immer Film machen, auch wenn wir GZSZ auf dem Gelände haben. Wollten Film produzieren oder co-produzieren. Film ist wahnsinnig volatil. In der Finanzkrise vor zwei Jahren ist der amerikanische Markt um 70 Prozent eingebrochen. Das fiel nicht so auf, weil Filme wie „Inglourious Basterds“ oder Polanskis „Ghostwriter“ in die Kinos kamen, aber das Studio war leer. Wir können uns die Studios in Babelsberg nur leisten, weil wir nichts bezahlt haben, keine Investitionen hatten und wir keine Schulden haben. Hätten wir 100 Millionen investiert, würde es uns nicht mehr geben. Der Konkurrenzkampf ist weltweit sehr hart. Man muss an die Grenze des verantwortbaren gehen, um Projekte zu bekommen.

Christoph Fisser

Christoph Fisser

Dell: Sind Sie derjenige, der da in Hollywood um Projekte kämpft?
Fisser: Wir alle. So sind wir aktuell auch alle abwechselnd in Cannes oder die Woche drauf in Los Angeles. Wir haben in den letzten Jahren viele Filme gemacht, die wir auf ihren Reisen begleiten. Wir werden in Deutschland keine Konkurrenz mehr haben, egal was Studio Hamburg oder die Bavaria in München machen. Schicken die Amerikaner einen 100 Millionen-Dollar-Film auf reisen, muss sich der, der das „Go“ für den Film gibt, absichern, falls er floppt. Daher schaut er vorher nach Credits, die versichern, dass er schon im Vorfeld die besten Leute ausgesucht hat. In Deutschland birgt Babelsberg für die das geringste Risiko, weil da noch nie etwas daneben gegangen ist. Ist nämlich etwas nicht in Ordnung, muss da gnadenlos jemand dran glauben. Bei uns wurden 40 bis 50 Filme gemacht und um Risiken zu vermeiden, werden die ihre Filme nirgendwo anders hinschicken. Wir müssen aber drei, vier- fünfmal im Jahr die Projekte durchsprechen und vorbereiten.
BFF: Wie wichtig sind für Sie Festivals wie die Berlinale oder Cannes?
Fisser: Das sind schon die wichtigsten.
BFF: Besuchen Sie auch kleinere Festivals?
Fisser: Natürlich. Aber die beiden sind vom Geschäftlichen her, vom Markt, die wichtigsten. Das ist, was Kosslick geschafft hat. Die Berlinale kann kein großer Produzent auslassen. Venedig, Toronto, Sundance sind auch wichtige Festivals. Wir versuchen auch nach Cottbus zu fahren. In Berlin mit mehr als 50 Festivals werden ja sicherlich mehr als 300 Tage bespielt.
BFF: Sogar mehr als 400 Tage, wegen der Überschneidungen der Festivals.
Dell: Wie beurteilen Sie generell die Entwicklung von Festivals?
Fisser: Das ist für Berlin und seine Programmkinos wichtig. Hier gibt es die meisten Programmkinos. Das hat auch mit den Festivals zu tun. Die werden beworben, damit ist auch in den Kinos mehr los. Die Berlinale hat in einer Woche mehr als 300.000 Zuschauer.
Dell: Wobei man sagen muss, dass die Entscheidung auf der Berlinale in die Programmkinos zu gehen mit Filmen, natürlich eine politische ist.
BFF: Haben Sie ein Lieblingskino?

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