„The Red Chapel“ in der Komischen Filmnacht


Filmszene: "The Red Chapel"

Filmszene: "The Red Chapel"

Journalist und Inititator des Experiments Mads Brügger, eindrucksvoll durch roten Vollbart, Glatze und Revoluzzer-Attitüde, filmt den Aufenthalt in Pjöngjang, der Hauptstadt Nordkoreas, in der gespenstische Stille, die unsichtbare Omnipräsenz des „Dear Leaders“ Kim Jong-il und  monumentale Ostblockarchitektur eigentümliche Gefühle hervorrufen. Mit wackeliger Kamera und Kim Jong-ils Ohr, repräsentiert durch Frau Pak, soll nun also ein freundschaftlicher Austausch zweier Nationen stattfinden. Frau Pak drückt den behinderten Jacob Nossell an ihren Busen und schwärmt, sie liebe ihn mehr als ihren Sohn. Tränen tiefer Zuneigung kullern aus ihren Augen, als sie den dänischen Gästen eine Skulptur zu Ehren des „ewigen Vaters“ Kim Il-sung zeigt.Und so zieht das Gespann durch Pjöngjang und besucht Schulen, in denen wahrscheinlich jedes Kind die Goldbergvariationen Bachs rückwärts spielen kann. Die unangenehme Perfektion, der in die Gesichter kleiner Mädchen gemeißelte Drill und der uneingeschränkte Patriotismus führen Mads, Simon und besonders Jacob Schritt für Schritt in einen psychischen Konflikt. Wenn „The Red Chapel“ bei einer nordkoreanischen Schulaufführung mitwirken dürfen und die Rolle Jacobs so verfremdet wird, dass seine Behinderung nicht mehr erkennbar ist, wird er dennoch von allen zärtlich umsorgt. Wenn sich die drei Dänen plötzlich inmitten einer gewaltigen Demonstration wiederfinden, ist es Mads, der Jacob aus Angst aufzufliegen befiehlt, artig zu salutieren. Als sich dieser wehrt, kippt die Stimmung.

So steht am Ende die Frage, wer hier eigentlich für wen nützlich ist. Die Dänen für die Nordkoreaner und deren Image-Politur? Das nordkoreanische Regime für Mads Brügger, der mit seinem Dokumentarfilm einen investigativen Beitrag über das Schrecken totalitärer Systeme leistet? Jacob Nossell und Simon  Jul Jørgensen, die ihre Extrovertiertheit fernab der Heimat präsentieren können? Egal welche Antwort man auf diese Frage findet, so verbleibt der Zuschauer nach dem Film mit einem Lächeln, welches irgendwie schief hängt. „The Red Chapel“ ist ein manipulatives, ja, fast skrupelloses Experiment Mads Brüggers. Gerhart Hauptmann sagte einst: „Der organisierte Wahnsinn ist die größte Macht der Welt.“. Jene Doppelmoral ist interessant und komplex. Das sah auch Sundance so und kürte „The Red Chapel“ zum besten ausländischen Dokumentarfilm 2010.

Carolin Weidner

Zehnte Komische FilmnachtThe Red Chapel“ (Dänemark, 2009) OV, 1. Juni 2011, 20.30 Uhr, Eintrittspreis: 7,00 Euro, ermäßigt 6,00 Euro, Filmtheater am Friedrichshain (Bötzowstr. 1), www.comedyfilmfestival.de

1 2