„Utopia Ltd.“- Regisseurin Sandra Trostel im Interview


Regisseurin Sandra Trostel

Regisseurin Sandra Trostel

1000 Robota sind im Jahr 2008 die Band der Stunde. Sie sind jung, laut, krachig, ernst, ehrlich und unverblümt in ihrem Auftreten. Die Regisseurin und Cutterin Sandra Trostel folgte der Hamburger Band zwei Jahre lang und zeigt in ihrem Debütfilm „Utopia Ltd.„, wie die drei Musiker am überbordenden Medienhype zu scheitern drohen. Denn mit dem Erfolg der Band wächst die Kluft zwischen künstlerischer Integrität und Medienpräsentation. Wir unterhielten uns mit Sandra Trostel über den medialen Hype, der die Band nach ihrem Debüt erfasste und über eine Jugend, die auf der Suche nach sich selbst scheint.

Warum haben Sie gerade die Hamburger 1000 Robota für ihre Dokumentation ausgewählt?
Sandra Trostel: Ich habe sie zufällig bei einem ihrer ersten Konzerte in Hamburg gesehen. Beim Dokumentarfilm hat man ja oft ein Thema, nach dem man sich seine Protagonisten zusammenstellt. In diesem Fall aber habe ich die Band gesehen und war mitgerissen von ihrer Musik, ihren Texten und von der Sehnsucht, die aus ihrem ganzen Dasein spricht. Sie suchen nach einer Jugendkultur, in einer Zeit, in der es keine mehr gibt.

Ihr Film zeigt drei Jugendliche, die auf der Suche sind nach einer Angriffsfläche, vielleicht auch, weil sie in einer Zeit leben, in der sie scheinbar keine Möglichkeit mehr haben, gegen die Elterngeneration zu revoltieren.

Trostel: Ja. Sie singen aber auch davon, nicht mehr träumen zu können. In ihren Texten gibt es eine große Sehnsucht danach, auch mal gemeinsam nein sagen zu können. Sie wollen nicht nur funktionieren und das tun, was man ihnen sagt, sondern Dinge auch in Frage stellen. Das erklärt Anton im Film ganz schön: „Ihr habt eure eigenen Ideen mit uns gemeinsam.“ Diese Intensität hat mich berührt. Ihnen fehlt etwas, sie wollen nicht einfach weitermarschieren und das erfüllen, was von ihnen verlangt wird. Diese Haltung habe ich lange nicht mehr erlebt. Eine Jugend, oder auch eine Jugendkultur, die revoltiert, gibt es heute so ja nicht mehr.

Wie haben Sie der Band erklärt, dass Sie einen Dokumentarfilm über sie machen wollen?

Trostel: Nach dem Konzert habe ich erst einmal darüber nachgedacht und sie dann auf einen Kaffee eingeladen. Die waren ganz aufgeregt. Man muss sich das auch mal vorstellen, da kommt eine erwachsene Frau und fragt dich als 17-Jährigen, ob sie einen Dokumentarfilm deine Band drehen kann.

Wie lange hat es gedauert, bis sich bei der Band ein natürliches Verhalten vor der Kamera eingestellt hat? Am Anfang des Films merkt man, dass eine Reflektion darauf stattfindet, dass dort eine Kamera ist und sie sich bewusst in Szene setzen.
Trostel: Das ging ziemlich schnell. Wir waren bei der ersten Tour dabei und beim letzten Tourtag waren sie schon sehr entspannt. In diesem Alter geht eh alles schneller. Eine Woche wirkt wie eine Ewigkeit. Wie oft habe ich von ihnen den Satz gehört: „Wir haben uns eine Woche nicht gesehen“. Und ich denke: „Ja mein Gott, eine Woche. Ich habe gerade den anderen Scheiß erledigen können, den ich so machen muss“. Für sie ist es eine Ewigkeit. Es entwickelte sich alles wahnsinnig rasant. Das habe ich versucht zu zeigen. In den paar Monaten, in denen ich sie begleitet habe, fand eine unglaubliche Entwicklung in den Persönlichkeiten der drei statt.

Können Sie erklären, warum die Band nach dem 2008er Debüt  „Du Nicht Er Nicht Sie Nicht“ so von der Presse gehypt wurde?
Trostel: Weil sie gedacht haben, dass 1000 Robota für etwas Neues steht?  Vielleicht fühlten sich einige Journalisten aber auch nur an ihre eigene Jugend erinnert oder haben gedacht, dass etwas darin fehlt.

Aber der mediale Hype war enorm. Es hätte ja auch sein können, dass es eine Dokumentation über eine Band wird, die kein Feedback erhält. Sie waren hautnah dabei, wie ein „Produkt“ geschaffen, verarbeitet und in den Medien weitergetragen wird.
Trostel: Dass sie zum Bundesvision Song Contest (2008) eingeladen wurden, so etwas weiß man im Vorfeld natürlich nicht. Sie hatten eigentlich zugesagt, sich dann aber kurzfristig gegen einen Auftritt entschieden – auf so etwas springt die Presse natürlich an. Mir ging es aber darum, zu zeigen, was ich in diesen jungen Menschen gesehen habe und was sie in sich tragen. Welche Entscheidungen sie treffen und welche Wege sie gehen. Dass etwas auf sie zukommt, das war klar. Denn so, wie sie sich verhalten haben, blieb das nicht aus.

Ihr Film zeigt dennoch recht deutlich, wie sich die Medien auf „die“ neue Band stürzen und ein Prozess in Gang gesetzt wird, der sich schließlich verselbständigt.

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