Retrospektive: „Chaplin Complete“ im Babylon Mitte


Filmszene: "The Kid"

Filmszene: "The Kid"

1913 unterschreibt er seinen ersten Vertrag bei der New York Motion Picture Company und beginnt Anfang 1914 in den für seine Komödien bekannten Keystone Studios für einen Wochenlohn von rund 150 Dollar. Keystone ist sein Sprungbrett und die erste Etappe auf seinem Weg in die Unabhängigkeit. Es ist das Schicksalsjahr Chaplins, das Jahr in dem er offenbar aus Frust über die mittelmäßigen und teilweise anspruchslosen Produktionsbedingungen bei Keystone seine Figur des Tramp erfindet und, gerade mal 25-jährig, zum ersten Weltstar des Kinos aufsteigt. Die vielen Auseinandersetzungen mit den Regisseuren der Studios führten schließlich dazu, dass Chaplin selbst die Regie übernahm und so die erfolgreichsten Filme der Studios produzierte. Doch beteiligt wird er an dem Erfolg nicht. Das gleiche Schicksal ereilt ihn auch in vielen anderen Film-Companies. Selten wird Chaplin tatsächlich an seinen eingespielten Gewinnen beteiligt, lediglich seine anfänglichen Gagen steigen allmählich bis 10.000 Dollar pro Woche. Die Einspielergebnisse sind den Companies dennoch nicht genug, so dass sie Chaplin immer radikaler vermarkten. Einige gehen sogar soweit, Imitatoren anzustellen, um mit ihnen chaplinartige Filme herauszubringen. Stan Laurel war einer von ihnen. Chaplin beginnt sich auch gerichtlich zu wehren. Doch er bekommt nicht immer recht. Bei Mutual Films, die ihm eine Wochengage von 10.000 Dollar und eine einmalige Prämie von 150.000 Dollar zahlen, verbringt er seine glücklichsten Jahre, wie Chaplin sagt. Hier entstehen legendäre Streifen wie „The Rink“ (1916) und „The Floorwalker“ (1916). In diesen ersten vier Jahren zwischen New York Motion Picture und Mutual Films entstehen seine bekannten Kurzfilme, die vielen noch aus den 80ern aus den TV-Serien „Klamottenkiste“ und „Wenn die Torten fliegen“ bekannt sein dürften.

Filmszene: "The Great Dictator"

Filmszene: "The Great Dictator"

Chaplin wechselte noch einmal, zu First National. Auch hier die gleichen unerfreulichen Erfahrungen. Zudem durchlebt er seine ersten Krisen. Der Verlust seines erstgeborenen Sohnes und ein zäher Scheidungskampf mit seiner ersten Frau Mildred Harris lähmen ihn. Doch schließlich produziert er seinen ersten Langfilm „The Kid“ (1921), der ebenfalls ein Kassenschlager wird. In der Zwischenzeit hatte Chaplin zusammen mit Mary Pickford, Douglas Fairbanks und David Griffith den ersten unabhängigen Filmverleih United Artists gegründet, um sich gegen ein Kartell der großen Filmproduzenten zu wehren und die volle Kontrolle über die eigenen Filme zurückzugewinnen. „Goldrush„, „City Lights„, „Modern Times“ und schließlich „The Great Dictator“ folgen.

Chaplin Complete ist ein 24 Tage anhaltender Filmmarathon, der das unermüdliche Schaffen, die vielen Etappen seiner Karriere, seinen unnachahmlichen Ideenreichtum für zeitlose und relevante Themen und die vielen Talente Chaplins, vom Komponisten zum Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur dokumentiert. Die Retrospektive zeigt einen Perfektionisten, der 35 Stunden Filmmaterial produzierte, um 78 Minuten davon zu verwenden. Jede Szene wurde so oft gedreht, bis Chaplin überzeugt war, dass sie perfekt ist. Allein in „Goldrush“ wiederholte er 63 mal die Szene, in der er seinen Lakritzschuh aufaß. Die Folge: ein Insulin-Schock und der Weg ins Krankenhaus. Kein Wunder, dass seine Filme das perfekte Timing beherrschen. Jede Szene trifft mitten ins Herz.

Text: SuT

Chaplin Complete, 15. Juli bis 7. August, Babylon Mitte; Das Programm finden Sie unter www.babylonberlin.de; Für Kinder mit einem Ferienpass sind die Generalproben zu den Vorstellungen mit dem Orchester kostenlos. Genaue Zeitangaben entnehmen Sie bitte dem Programm.

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