Komische Filmnacht: „Phase 7“


Filmszene: "Phase 7"

Filmszene: "Phase 7"

Unter Quarantäne

Da der Mensch für den Raum, den er sich technologisch zu eigen gemacht hat, kulturell nicht hinreichend vorbereitet ist, muss er die Wahrnehmung künstlich einschränken. Sicherlich läge da einiges näher als eine Seuche, aber wir wollen nicht vergessen, dass der Raum in „Phase 7“ zu aller erst durch das Genre Science-Fiction determiniert ist. Dekoriert wird das Ganze mit etwas Chick Flick-Lametta, das gute alte Sitcom-Sofa steht durchgesessen in der Gegend herum. Nicolás Goldbart entwickelt in seinem Streifen ein recht eigenes Bild vom Untergang der Welt: trocken, lakonisch und clownesk. Obwohl die einzelnen Akteure bereits innerhalb des ersten Drittels unter Quarantäne gestellt werden, bleiben sie ungewöhnlich ruhig. So essen sie ihr Abendbrot und die Nachmitternachts-Cornflakes zu wirklich beunruhigenden Fernsehbildern. Dieser Isolationsstumpfsinn behauptet sich in erster Linie durch ein Populärschund und Weltwissen-Overflow: Kenne ich, weiß ich, war ich schon. Das endet in einem gefühlsmäßigen Paradoxon: So haben die Charaktere das Gefühl, die Welt gefressen zu haben, dabei ist es genau umgekehrt. Es sind komplett durchmedialisierte Menschen – kurz: zu dumm, um neugierig zu sein.

Der Apathie folgt die Paranoia. Broschüren werden ausgeteilt, die die Symptome der Krankheit aufzeigen: Husten, leichtes Fieber, Juckreiz – das ist aber „selten“. Die Konsequenz besteht darin, dass sich die quarantänisierten Nachbarn zunehmend misstrauen. Zuerst werden sie zu Neutralen, also gleichgültig gegen jede Form von Zwischenmenschlichkeit, anschließend werden sie zu Feinden. Just in diesem Moment driftet „Phase 7“ leider in sehr konventionelle Gewässer ab. Es gibt die üblichen Schießereien und die üblichen Verstümmelungen. Es gibt die üblichen Guten, die Sterben und die üblichen Guten, die beschließen, das Haus zu verlassen und stellen – oh Wunder – fest, dass ihre Welt tatsächlich verloren ist. Der mythische Zweck der Nachrichtensendungen, die im ersten Drittel so fleißig konsumiert worden sind, besteht in der Informiertheit oder drastischer formuliert: Nachrichten aus einer chaotischen, apokalyptischen Welt erzeugen eine semantisch geordnete Gesellschaft, die so bald man vor die Tür tritt, nicht mehr existiert. Falls man selbst eine Nachrichtensendung verpasst hat, ist das ebenso bedeutungslos für das Weltgeschehen wie für die eigene Biographie. Einzig und allein im sozialen Leben kann es erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen. Daraus ergibt sich die bittere Schlusspointe: Das soziale Leben ist fort und auf unbestimmte Zeit im Urlaub. So sind die Nachrichtensendungen nicht zuletzt Maschinen, die Angst umformen. An die Stelle der Angst, die einem gemacht wird, treten imaginäre Sicherheitszonen. Der öffentliche Raum wird so für die Individuen zu einem Tabu. An ihre Stelle treten die Unsichtbaren (Viren) und die Angstmacher (Nachrichten).

Joris J.

Komische Filmnacht, 7. September, 20.30 Uhr, Filmtheater am Friedrichshain, www.comedyfilmfestival.de