Berlinale-Leiter Dieter Kosslick im Interview

"Kritik gehört zum Job"


Nina Hoss in Christian Petzolds Wettbewerbsbeitrag "Barbara", Foto: Christian Schulz

Nina Hoss in Christian Petzolds Wettbewerbsbeitrag "Barbara", Foto: Christian Schulz

Die Zahl der Programmkinos schrumpft. Sie selbst engagierten sich im letzten Jahr für die Kurbel in Berlin. Was ist zu tun?
Wir müssen immer wieder klar machen, dass es Kino ohne Kinos nicht gibt. Es muss viel mehr auf die Architektur, auf die Möglichkeit der kieznahen Kinos hingewiesen werden. Ähnlich wie beim Kaufladen an der Ecke.

Was geht verloren, wenn das Kino als sozialer Raum wegfällt?

Kino war immer auch ein Raum für Begegnung und für Diskussion. Wenn das Kino als sozialer Raum wegfällt, geht auch die Möglichkeit zur Reflektion verloren. Filme können uns neue Perspektiven zeigen, andere Welten erschließen und uns aufmerksam machen auf bestimmte soziale und gesellschaftliche Situationen. Als Direktor eines der größten Filmfestivals beunruhigt mich natürlich sehr, dass immer mehr Kinos schließen. Bei der Berlinale versuchen wir deshalb unseren Teil dazu beizutragen, um auch den kleinen Kinos die nötige Aufmerksamkeit zu verschaffen. Bei unserer Initiative „Berlinale goes Kiez“ werden wir dieses Jahr zum dritten Mal den Roten Teppich für die Kiezkinos und ihr treues Publikum ausrollen. Dabei sind dieses Jahr das Passage Kino, Toni & Tonino, die Hackischen Höfe, das Bundesplatz Kino, das Babylon, das Thalia Potsdam und Filmkunst 66.

Sie leiten seit mittlerweile elf Jahren die Berlinale. Wie hat sich Ihr Beruf in den zehn Jahren verändert?
Die Jagd nach Premieren ist schwieriger geworden. Die internationale Filmfinanzierung und Piraterie haben die Filmstarts verändert. Ansonsten: Business as usual. Aber man hat auch aus Fehlern gelernt.

Wie gehen Sie mit Kritik an Ihrer Arbeit um?
Wenn man ein Festival wie die Berlinale leitet, dann gehört Kritik zum Job dazu. Ich nehme sie ernst und akzeptiere sie. Man muss aber auch wissen, dass man es nicht allen Recht machen kann. Ich wurde stark für den letztjährigen Wettbewerb kritisiert. Jetzt nach sechs Oscarnominierungen von Berlinalefilmen und Kassenknüllern wie „Almanya – Willkommen in Deutschland“ relativiert sich das alles. Aber schön ist es trotzdem nicht.

Sie haben gerade Ihren Vertrag verlängert. Welche Ziele verfolgen Sie bis 2016?
Wir haben in den letzten Jahren einiges angestoßen und gestartet. In den nächsten Jahren wird es darum gehen, zu konsolidieren und weiter auszubauen. Im Bereich der Nachwuchsförderung werden wir z. B. eine weitere Initiative schaffen. Der Berlinale Talent Campus findet dieses Jahr zum zehnten Mal statt und hat in der Zwischenzeit fünf internationale „Außenstellen“ gegründet, u. a. in Buenos Aires oder Sarajewo. Die Förderung und Entdeckung neuer Filmtalente ist schon immer Teil der Philosophie der Berlinale. Das soll auch in Zukunft so bleiben. Insgesamt wollen wir das Festival weiter vernetzen. Bei der Berlinale als Wirtschaftsplattform wollen wir den European Film Market weiter ausbauen, der mittlerweile zu den drei größten der Welt zählt.

Interview: Denis Demmerle

ÜBERSICHT ZUR 62. BERLINALE

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