Erste Einblicke in die 25. transmediale

Schon mal vorschlafen – transmediale in ihrer 25. Ausgabe


Unter dem Titel „The Ghosts in the Machine“ reflektiert das Performance-Programm das in/kompatible Verhältnis von analogen und digitalen Medien – einen Höhepunkt bildet dabei die Joshua Light Show. Das Videoprogramm „Satellite Stories“, unter erneuter Leitung Marcel Schwierins, stellt die Frage nach der Kompatibilität des Menschen mit den von ihm geschaffenen Produkten. Ob man nun Politik, Finanzwelt, Architektur, Verkehr, Kleidung oder ganz besonders die Medien betrachtet, der Mensch schafft sich eine Umgebung, die einerseits seine Bedürfnisse befriedigen soll, ihn dabei aber andererseits beständig überfordert. Die Produkte scheinen eine Art von Eigenleben zu entwickeln – sie werden nicht mehr an den Menschen angepasst, vielmehr muss der Mensch sich ihnen anpassen, um nicht seinerseits inkompatibel zu werden. Ins Zentrum der künstlerischen Beobachtung rückt dabei mehr und mehr das Internet.

Dominic GagnonsPieces and Love All to Hell“ basiert beispielsweise auf zensierten YouTube-Clips, die der Künstler kurz vor ihrer Entfernung heruntergeladen hat und zu einem bedrückenden Gesellschaftsbild aus sozialen Ängsten, Verschwörungstheorien und automatischen Waffen verwebt. Einem scheinbar völlig belanglosen Thema widmet sich dagegen Andreas Schneider in „Eight Characters and Two Syllables„. Er beobachtet mehrere Protagonistinnen einer Make-Up-Community auf ihren YouTube Channels. Es sind die neuen Stars von kleinen, aus mehreren tausend „Followern“ bestehenden Gemeinschaften. Doch spätestens wenn Kritik aufkommt, entpuppen sich die harmlosen Selbstdarstellerinnen als Furien – natürlich nach wie vor perfekt geschminkt, ganz wie ihre medialen Vorbilder. „Good Boy – Bad Boy“ des Kollektivs Neozoon verfolgt den Umgang mit dem vielleicht beliebtesten YouTube-Motiv, dem dressierten Haustier. Was auch hier zunächst ganz allerliebst daherkommt („Good Boy“), verwandelt sich schon bald in demütigende Strafexzesse, die die ausgelieferte Kreatur über sich ergehen lassen muss („Bad Boy“). Der virtuelle Raum des Internets, der lange Zeit als ein utopischer Ort des freien, unzensierten und egalitären Austausches von Ideen galt, erscheint in der künstlerischen Reflexion mehr und mehr als ein Spiegel der real existierenden Gesellschaft – mit all ihren Abgründen.

Als Würdigung des 25-jährigen Jubiläums der transmediale wird jedes der acht Video-Programme zudem von einem historischen Werk aus den Anfängen der transmediale eröffnet. Auf diese Weise werden sowohl thematische Kontinuitäten als auch Brüche in der Videokunst der letzten Jahrzehnte offengelegt. Gastkuratorinnen des „Arab Short“-Programms sind Maha Maamoun und Sarah Rifky aus Kairo. Nicht zu vergessen: Das parallel zur transmediale stattfindende CTM.12 – Festival for Adventurous Music and Related Arts. In einem umfangreichen Konzertprogramm, mit Diskursveranstaltungen sowie einem Ausstellungsteil beschäftigt sich CTM.12 unter dem Thema SPECTRAL mit der gegenwärtigen Konjunktur des Geisterhaften, Mysteriösen und Dunklen im Pop. Witch House, Hypnagogic Pop, Hauntology, Neo-Industrial oder Drone setzen auf die negative Energie der Verlangsamung und Bewusstlosigkeit. Quer durch die Stile hindurch arbeitet man mit dem Rückgriff auf Vergangenes bis hin zur Archaik. Zerfall, Vernebelung, Verrauschen, Deformation, Geheimnis, Nostalgie, Kitsch, Leere, Verlust und Sich-Entziehen sind Stichworte einer Haltung, die nicht das Hinzufügen neuer Ideen, sondern die Transformation von Bestehendem zum Ziel hat. Die CTM.12-Ausstellung im Kunstraum Kreuzberg / Bethanien wird bereits am 27. Januar eröffnet. Konzerte und Performances werden im HAU, Berghain, Kunstraum Kreuzberg / Bethanien, der Passionskirche, Gretchen, Kater Holzig und Horst Krzbrg zu sehen sein.

Carolin Weidner

25. transmediale 31. Januar bis 5. Februar, Haus der Kulturen der Welt, www.transmediale.de

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