Christian Petzold über seinen Film „Barbara“ und die DDR im Film

"Das ist ein Technicolor-Traum"


Ronald Zehrfeld und Nina Hoss, Foto: Hans Fromm

Ronald Zehrfeld und Nina Hoss, Foto: Hans Fromm

In Ihren Filmen vermischen Sie immer wieder Privates und Politik. Meist geht es um Frauen, die auf der Suche nach einem anderen, besseren Leben sind. Nina in „Gespenster“ sucht nach Geborgenheit und Nähe, Yella im gleichnamigen Film erhofft sich ihr Glück in einer westdeutschen Stadt zu finden. Auch Barbara will raus, raus aus der DDR. Waren diese Filme von einer kühlen Tristesse bestimmt, durchzieht „Barbara“ ein konstanter Hoffnungsschimmer.
Das ist mir auch richtig bei der Premiere aufgefallen. Es ist nicht so, dass ich als Autor einen Film beendet habe wie etwa bei „Yella„. Die ist tot, Yella hat alles nur geträumt. Bei „Barbara“ habe ich das Gefühl, die Protagonisten treffen am Ende selbst eine Entscheidung. Barbara und ihr Kollege André sitzen sich gegenüber. Ihre Blicke haben Bedeutung. Sie sagen so was wie „So wir versuchen das jetzt“ oder „Vielleicht kriegen wird das hin, vielleicht auch nicht. Bist du bereit?“ Das spielt sich aber nur zwischen den beiden ab. Da spielt der Patient keine Rolle mehr und ich als Regisseur auch nicht. Denn die beiden Hauptfiguren haben die Tür aufgemacht und die werden jetzt einen Raum betreten. Ob der Raum ihnen die Liebe bringt oder ob der Raum ein Missverständnis ist, all das entscheiden jetzt die und nicht mehr ich. Das ist irgendwie anders als sonst, aber das ist auch erst während der Dreharbeiten entstanden. Ich musste also erst 16 Jahre Filme machen, um vielleicht eine neue Form von Erzählposition für mich zu finden.

Selbst in der Farbgebung des Filmes merkt man eine Veränderung: In „Barbara“ setzen Sie auf satte Farben. Ehrlich gesagt waren Sie noch nie so farbig.
Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich zu meinem Kameramann Hans Fromm gesagt habe: „Viel, viel farbiger machen.“ Aber auch daran, dass wir die DDR immer nur entsättigt sehen. Und jetzt sieht man plötzlich Farben. Man muss ja nur ein Musical wie „Ein heißer Sommer“ anschauen, das ist ein Technicolor-Traum. Ich wollte, dass die Bäume leuchten und die Stürme peitschen, das Wasser kalt ist, die Nächte schwarz-blau sind und das Mondlicht bleiern. Das sollte alles physisch werden.

Hans Weingartner hat in einem Interview gesagt, er kann keine Filme aus Frauenperspektive erzählen, weil er die Frauen einfach nicht versteht. Bei Ihnen sind immer wieder Frauen Dreh- und Angelpunkt Ihrer Geschichten. Warum?
Ich kann nur so was drehen, weil ich sie eben nicht verstehe. (lacht) Ich drehe ja nicht die Frauen so, als ob ich sie begehre. Natürlich liebe ich die Frauen, alle, aber auch die Männer. Die Frauen sind für sich. Ich kann mich nicht so in sie hineinversetzen. Ich kann mitfühlen, aber mich nicht identifizieren. Das ist die Position, die für mich Kino so toll macht. Man fühlt mit, aber ist nicht die Person. Ich fühle mit Jack Nicholson, aber ich bin es nicht. Das schaffen die Amerikaner, weil sie Stars haben. Die gehören uns nicht, sind aber trotzdem sehr nahe. Die Frauenfiguren in meinen Filmen sind mir wahnsinnig nahe, dass ich heulen könnte und gleichzeitig sind sie mir total fremd. Ich kann nicht in ihr Innerste schauen. Und das muss beides da sein.

Gleich drei deutsche Filme laufen im diesjährigen Berlinale-Wettbewerb? Was sagt das Ihrer Meinung nach über den Stand des deutschen Filmes derzeit aus?
Ich würde sagen in Frankreich, Cannes, Venedig gehört das sogenannte nationale Kino mit auf diese Festivals. Das ist ganz klar. Ich denke bei Filmen aber nie national. Mir ist es völlig wurscht, ob der Film aus Indonesien, Dänemark, Amerika oder Deutschland kommt. Hauptsache er erzählt mir etwas von diesem Land.

Eileen Reukauf

Filmkritik zu „Barbara

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