Im Rückblick: Die Dokumentarfilme der 7. Ausgabe von filmPOLSKA

Die Kunst, mit Bildern Geschichte(n) zu erzählen


Filmszene: "Unsterblichkeitserklärung", Foto: filmPOLSKA

Filmszene: "Unsterblichkeitserklärung", Foto: filmPOLSKA

Eine Dokumentation ist eine gute Dokumentation, wenn man als Zuschauer danach etwas schlauer ist. Die bei filmPOLSKA gezeigten Filme dieses Genres taten zumeist genau das. Es fiel aber auch etwas anderes auf: Viele wirkten wie mitten aus dem Leben gegriffen und brillierten dennoch nur zum Teil durch ihre Authentizität. Da ist zum Beispiel Juan ein Ex-Soldat aus Kapstadt, der in Südafrika ein Waisenhaus betreibt und zu dieser Stelle des Heilsbringers kam, weil er eine Gottesvision hatte, während er den Softporno Emmanuelle schaute. „Tato poszedt na ryby – Dad went fishing“ (2011) von Grzegorz Pacek ist leider eine nicht sehr ernst zu nehmende Lebensgeschichte, eines nicht ernst zu nehmenden Mannes, der hier den typischen Underdog zeichnet, man als Rezipient aber nicht erfährt warum.

Neben dieser etwas schwächeren Dokumentation stach in den Kurzfilmprogrammen, die insbesondere Filme von Studenten der Filmhochschule Lodz zeigten, vor allem die Dokumentation „Smolarze“ („Holzkohle„) heraus. In einem dichten Wald im polnischen Niemandsland liegt auf einer weiten Lichtung der Verschlag des Köhler-Paares Marek und Janina. Neben ihrer Hütte befinden sich einige meterhohe Stahlbehälter, auf denen Schlote stehen und dicken, dichten Qualm ausspucken. „Smolarze„(Piotr Złotorowicz) zeigt eindrucksvoll zwei Menschen, die wie Arbeiter aus der Anfangszeit der Industrialisierung wirken und auch so aussehen, während sie jeden Tag Holzkohle herstellen. Viel haben sie sich nicht zu erzählen, denn nennenswerte Neuigkeiten in ihrem Leben gibt es nicht en masse und wenn, dann husten sie sich diese gegenseitig vor. Beim nächsten Grillabend mit Holzkohlegrill sollte ein jeder ein Würstchen in Gedenken an die beiden essen. Denn echte Holzkohle fällt auch im Zeitalter des web2.0 nicht aus einer Maschine, sondern muss eben in Handarbeit hergestellt werden.

Sehr starke und ebenso beeindruckende Bilder bietet eine Hommage an eine Kletterlegende: In „Deklaracja niesmiertelnosci“ („Unsterblichkeitserklärung„, 2010) von Marcin Koszalka wird Piotr ‚der Wahnsinnige‘ Korczak portraitiert. Der 1961 in Krakau geborene Korczak war einer der Weltbesten im Klettern und prägte diesen Sport nicht nur durch seine erfundenen Routen und theoretischen Schriften über das Klettern, sondern auch als begabter, gebildeter und auf seine Weise irgendwie sympathischer Mensch. Eine Momentaufnahme eines fünfzigjährigen Spitzensportlers, der sich nicht eingestehen kann und will, dass auch er und sein Körper dem Lauf der Zeit und der Endlichkeit unterworfen sind. Fantastisch gelungen sind neben der Schaustellung einer Mensch-Maschine auch die Panoramaaufnahmen und Landschaftsbilder der Kletterer in den Kaparten.

Diese Landschaft ist auch Spielort einer erst 1989 entstandenen Dokumentation von Grzegorz Krolikiewicz, dessen Filme in einer Vielzahl unter in der Retrospektive liefen. „Idz„(„Geh!„) wurde im sozialistischen Polen unter den Zensoren nie zur Produktion frei gegeben. Ein Pferd wird von einem Bauern im Spätherbst auf einen Berg in der Hohen Tatra getrieben und schlussendlich den Bären im Gebirgswald geopfert. Der Bauer faltet am Ende des Filmes die Pferdehaut und schreitet wieder gen Tal. Krolikiewicz, der neben seinem umfangreichen, praktischen, cineastischen Œuvre auch als Filmtheoretiker tätig ist und leider außerhalb Polens viel zu unbekannt ist, hatte die Idee zum Film schon in den sechziger Jahren. Der starke Bär als Sinnbild des großen sowjetischen Bruders verspeist das geopferte ‚polnische‘ Pferd – ein Affront für die sozialistischen Zensoren. Der angeblich zu metaphorisch aufgeladene Stoff beschreibt dabei lediglich eine gängige Praxis in der Hohen Tatra, um mögliche Angriffe von hungrigen Bären auf Menschen entgegenzuwirken.

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