Im Rückblick: Die Dokumentarfilme der 7. Ausgabe von filmPOLSKA

Die Kunst, mit Bildern Geschichte(n) zu erzählen


Filmszene: Grzegorz Krolikiewiczs "Idz"

Filmszene: Grzegorz Krolikiewiczs "Idz"

Der ästhetische Anspruch Grzegorz Krolikiewiczs an das Medium Film ist insbesondere geprägt durch eine hohe und sehr präzise Dichte an Informationen, die ein Bild leisten muss und die parallel dazu eingesetzten, oft brachialen Sounds. Dieses audiovisuelle Zusammenspiel wirkt je nach Film befremdlich, störend und gar bedrohlich, gleichwohl nie verworren. Alle Szenen sind homogen und punktgenau gesetzt und dennoch sind die Werke des polnischen Regisseurs, der auch Dozent an der Filmhochschule in Lodz ist, nicht kommerziell verwertbar. Sicher auch weil er nicht unbedingt ein bequemer und massentauglicher Künstler ist, der eben sehr gerne das Politische in seinen Filmen verortet.

Was die APO in Deutschland war, war die NZS als studentische Bewegung in Polen, sie galt als der Vorläufer der Solidarnosc. In den Jahren 1980/1981 ging es für die streikenden Studenten in Lodz heiß her und der Film „Bardzo krotki strajk“ („Ein ganz kurzer Streik„) – im Jahr 2007 gedreht – zeichnet die Ereignisse dieser Zeit nach. Hier lässt Krolikiewicz die Erinnerungen und Begebenheiten der damalig Involvierten nachspielen. Es begegnet dem Zuschauer wieder die Authentizität, die bei Krolikiewicz bestechend, ja emotional ergreifend ist und gerade dies wird in diesem Film durch die ‚Schauspieler‘, die nun zwar 25 Jahre älter sind, aber eben Teil der historischen Ereignisse waren, die sie spielerisch noch einmal durchleben, transportiert.

Political Dress„, ein Film mit politischen Inhalten der etwas anderen Art, hat durch seine erfrischend bunten Bilder und klug strukturierten Machart das Festival stark bereichert. Der 2011 entstandene Film bringt einige polnische Designer (u.a. Ania Kuczynska) vor die Kamera und lässt sie rückblickend auf die Einflüsse der sozialistischen Mode und deren Mangelwaren ihre jetzigen Arbeiten erklären. Anschaulich vermittelt der Film so, woher das innovative und kreative Potenzial der polnischen Modedesigner stammt. Der sozialistischen Einheitsmode und deren Tristesse galt es, selbstgebastelte Kreationen entgegenzusetzen. Und so schneiderten modebewusste Frauen oftmals die Mode des Westens einfach nach. Was sich nicht als sehr einfach herausstellte, da es ja kaum Materialien zum Schneidern gab. Darum griff die Damenwelt im Ostblock zu dem, was gerade zu finden war. Da wurden dann die Gardinen mit Schwarztee in Farbe gebracht und zu einem formschönen Rock umgenäht.

Der Beitrag „Argentynska Lekcja“ („Argentinische Lektionen„, 2011) ist eine beschauliche Arbeit, die die Grenzen zwischen Dokumentar- und Spielfilm nie klar zeichnet. Der polnischen Kameramann Wojciech Staroń und dessen Frau, sie ist Polnisch-Lehrerin, ziehen 2008 für zwei Jahre nach Argentinien. Während Wojciech Staroń 1998 seine Frau an den Baikalsee begleitete und eine Dokumentation über sie drehte („The Siberian Lesson„), hat er sich diesmal entschlossen, seinen achtjährigen Sohn, Janek, mit der Kamera zu begleiten. Vier Monaten nach Drehbeginn hat sich allerdings herausgestellt, dass Janeks beste Freundin, Marcia, die eigentliche Hauptfigur des Films ist.

„Das Spannende daran, Dokumentarfilme zu machen“, erklärt Staroń im Anschluss an die Filmvorführung im dem sehr familiären K18, „ist es, offen zu sein und den Mut zu haben, den Fokus zu ändern“. So berichtet er dem Publikum von seiner Arbeitsweise und wir erfahren, dass er lieber mit Film als mit digitalem Material dreht. „Videokameras benutze ich für Dialoge. Die muss man oft mehrmals drehen. Aber im Grunde bin ich davon überzeugt, dass ein Film auch ohne Dialoge auskommen muss. Die Bilder müssen die Geschichte erzählen. Bilder sind viel direkter als Dialoge“, führt er aus und betont, dass es das Direkte, Unmittelbare von Bildern ist, „wonach ich suche, wenn ich einen Dokumentarfilm mache“. Da Staroń sein Handwerk versteht, ist dabei ein wundervoller und bewegender Film über das Leben in einem abgelegenen Dorf im Norden Argentiniens an der Grenze zu Paraguay und Brasilien entstanden. Dabei erzählt der Film in eindrücklichen, poetischen Bildern von Marcias enger Freundschaft zu Janek und davon, wie beide die Pubertät erleben.

Judith Orland, Sven Bruelke

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