Rückblick auf den II. Musik-Film-Marathon

Helmas Kompendium


Filmszene: "What the Future Sounded Like" (Matthew Bate, AUS 2006)

Filmszene: "What the Future Sounded Like" (Matthew Bate, AUS 2006)

Helma Schleif sitzt auf den Stufen und zieht an ihrer Zigarette. Wie im letzten Jahr fällt der Musik-Film-Marathon genau in den Wechsel der Jahreszeiten – von Tag zu Tag wird es wärmer, am Abschlussabend stürzt literweise Wasser vom Himmel. In diesem Moment aber, in dem die Festivalleiterin vor dem Martin-Gropius-Bau sitzt, scheint die Abendsonne, keine Wolke am Himmel. 2011 konnte man den Bäumen am Meyerinckplatz über die 14 Festivaltage beim Grünen zusehen, hier wirft das Abendlicht rote Schlieren über die gewaltigen Gebäude in diesem seltsam-erhabenen Gebiet. Und mittendrin eben Helma Schleif. Warum der Gropius-Bau? Hier, wo sich tagsüber Massen durch die Ausstellungen schieben, um im Anschluss die Walther König Buchhandlung zu plündern? Zwischen ehemaligem Führerbunker und der Peripherie Anhalter Bahnhof-Potsdamer Platz-Friedrichstraße? Mit diesem Kinosaal im Keller, direkt neben der Garderobe und den, zugegeben, ausladenden Toiletten?

„Nachdem klar war, dass die Kurbel keine Überlebenschance hat, habe ich mir ein paar Wochen Zeit genommen, um über den neuen Spielort zu sinnieren. Die Wahl fiel letztlich auf den Martin-Gropius-Bau, weil ich hier viele Jahre Filmreihen kuratiert habe, ich diese Umgebung wunderbar finde und es die Möglichkeit gibt, viele verschiedene Filmformate zu zeigen. Das ist leider nicht mehr selbstverständlich.“ Und so beginnt der zweite Berliner Musik-Film-Marathon mit einer Rückkehr zu den Wurzeln der Festivalleiterin. Rückkehr – ohnehin ein Wort, das sich trefflich auf das Programm überführen ließe. Sei es in der thematischen Auswahl, einzelnen Filminhalten oder den geladenen Gästen, die allesamt Freunde und Bekannte Schelifs zu sein scheinen.

Gleich der Eröffnungsabend beginnt mit einer Rückkehr: Die von Regisseur Frank Scheffer, welcher erst kürzlich seine letzten Dreharbeiten in China abgeschlossen hat. Und ebenso Nader Mashayekhi, der als in Wien lebender iranischer Komponist in Scheffers „Gozaran – Time Passing“ (Frank Scheffer, NL/D 2011) zurück nach Teheran reist, um mit jungen Musikern Stücke von Gustav Mahler und Arvo Pärt aufzuführen. Scheffer gelingt dabei eine dokumentarische Sensation auf zwei Ebenen: Zum einen ist sein Film von einer ganz und gar poetischen Schönheit durchzogen, Nahaufnahmen, die den schwarzen Spitzenschleier einer Violinistin zeigen, so, dass der feine Stoff im Profil herrliche Schatten wirft. Eine junge Trompeterin auf dem Dach, die ihr Spiel über die Köpfe der Stadt schickt. Und immer wieder Lyrik iranischer Dichter und Weisheiten aus dem Munde Mashayekhis Vater. Die zweite Ebene hat Scheffer einem politischen (Nicht)-Umbruch „zu verdanken“.

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