Korean Cinema Today im Haus der Kulturen der Welt

Unbekannt aber fashionable


Ob nun mit viel oder wenig Natur – vom 3. bis 13. Mai bietet das Haus der Kulturen der Welt dem Interessierten die Möglichkeit an, koreanisches Kino einmal genauer zu betrachten. Mit „Bleak Night“ vom Regisseur Yoon Sung-hyun liegt ein interessantes Zwei-Punkt-Null Drama vor: semi-dokumentarische Aufnahmen, eine wackelige Handkamera und dilettantische Amateurfotografien erzwingen wie stets Authentizität. Das könnte man jetzt mit kritisch bis abfälligen Bemerkungen überhäufen, jedoch beweist dieser Film enormes Einfühlungsvermögen im Umgang mit den Erlebniswelten einiger Teenager. Die Unterscheidung der einzelnen Personen ist dank der verschachtelten Erzählweise am Anfang etwas schwierig, doch mit der Zeit kristallisieren sich immer mehr Nuancen heraus. Dadurch gewinnen die Charaktere dermaßen an Glaubwürdigkeit, dass man teilweise denkt, einer Milieu-Studie zu folgen.

http://www.youtube.com/watch?v=6QuDL3f8I_Q

Die gesamte Atmosphäre ist dabei ausgesprochen bedrückend. Die riesigen Betonklötzer einer anscheinend ausgestorbenen, urbanen Wüste sowie der marode Bahnhof, an dem sich die Handelnden immer wieder treffen, tragen merkwürdigerweise dazu bei, den Zuschauer emotional zu involvieren. Ähnlich harsch geht es bei „Breathless“ von Yang Ik-june zur Sache. In der ersten Szene schlägt der Schuldeintreiber Sang-Hoon ein Schulmädchen bewusstlos. Danach braucht der Streifen und die Augenzeugen in den Kinosesseln eine ganze Weile, um wieder zu sich selbst zu finden. Gewalt ist hier nicht Spiel und mit Sicherheit nicht Ästhetik. Gewalt ist ein Mittel zum Zweck und es entlarvt in erster Linie die Armseligkeit der Gewaltanwendung. Obwohl jeder Satz Sang-Hoons mit einer Beleidigung eingeleitet wird, ist am Ende nicht alles schlecht und schrecklich. Oftmals wird mit seiner Figur sogar ein realistisches Gefühl für menschliche Wärme und Verbindung vermittelt.

Seit 1990 verändert sich (Süd)korea beinahe im Zeitraffer. Es entstanden Multiplex-Theater und die Hollywood-Studios etablierten eigene Verleihfirmen. Auf der anderen Seite erlebte die eigene Filmkultur und -industrie auch einen entscheidenden Aufschwung: Cinephilie blieb nicht mehr die Vorliebe einiger weniger Experten, sondern wurde populär und fashionable.

Joris J.

Korean Cinema Today, 3. bis 13. Mai, Haus der Kulturen der Welt , Programm unter www.hkw.de

1 2