Rückblick auf das 30. Filmfest München

Ein Festival als Botschafter fürs Kino


Leiterin des Filmfest München Diana Iljine, Foto: Sonja Calvert

Diana Iljine, Leiterin des Filmfest München, Foto: Sonja Calvert

Das nach der Berlinale zweitgrößte Filmfest Deutschlands findet in München statt. Mit der dreißigsten Jubiläumsausgabe übernahm Diane Iljine als neue Geschäftsführerin das Ruder. Ihren Auftrag hat Iljine erkannt und in ihrem Premieren-Editorial ihren Auftrag formuliert: „In einer Welt, in der jederzeit Filme als Stream oder als Download bereitstehen, muss das Kino jeden Tag aufs Neue zeigen, dass es einzigartig ist.“ Wie das funktionieren soll, weiß Iljine auch: „Kein Botschafter ist dafür besser geeignet als ein Filmfestival!“

Worte, die sich an Taten messen lassen müssen. Erste Maßnahme: Zum Jubiläum hat das Fest sein Programm konzentriert, wie es immer so schön heißt, wenn Weniger Mehr sein soll. Von 240 auf 186 Filme, die in neu gegliederte Programmreihen zusammengefasst wurden. Also immer noch reichlich Futter für Cineasten und die, die es noch werden wollen. Dass die neuen Reihen nicht sonderlich trennscharf daherkommen, sei erwähnt, ist aber zu vernachlässigen. Die volle Aufmerksamkeit sei den zahlreichen guten und teilweise herausragenden Werken und ihrer Themen gewidmet, die München im schwülen Sommer 2012 zu bieten hatte.

Fremde Welten

Verstehen Festivalbesucher Regisseure als Botschafter des Weltkinos, um im Bild von Chefin Iljine zu bleiben, sind sie es, die ihr Münchner Publikum mit auf Reisen nahmen. Nach Indien, mit „Trishna“ vom Briten Michael Winterbottom (u.a. „The Road to Guantanamo„/Silberner Bär; Berlinale 2006), ins 19. Jahrhundert Großbritanniens, wohin die „Fish Tank„-Regisseurin Andrea Arnold mit ihrer Verfilmung von „Wuthering Heights“ (deutsch: „Sturmhöhe“ nach der Literaturvorlage von Ellis Bell) entführt, der faszinierende in Cannes und Sundance ausgezeichnete „Beasts of the Southern Wild“ von Benh Zeitlin, der seine Zuschauer ins raue Leben am Mississippi-Delta mitnimmt oder „360„, das neue Werk von „City of God“-Regisseur Fernando Meirelles (hier das Interview zum Film), der es in einem Film gleich um die ganze Welt schafft.

Gemein ist diesen herausragenden Werken die beinahe greifbare Sehnsucht nach dem Unbekannten und der Wille es zu entdecken. Zuschauer verlieren sich in aufregenden Bildern Winterbottoms, die die engen Städte Indiens ebenso in Szene setzen, wie die Lebenswelt der Menschen des Subkontinents, die er anhand Trishnas (der umwerfenden Freida Pinto aus u.a. „Slumdog Millionaire„) trauriger Liebesgeschichte erzählt. Sie tauchen ein in Arnolds düsteres, rassistisches England und fühlen mit den Rednecks um die sechsjährige Hushpuppy, deren Leben in Benh Zeitlins herausragendem „Beasts of the Southern Wild“ von einer Flut hinweg gespült wird.

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