Favourites Film Festival im Filmrauschpalast

Favoriten für das hochverehrte Publikum


"Mwansa": Um den Tod des Vater zu verarbeiten, taucht ein kleiner Junge in Fantasiewelten ein und begibt sich auf eine Reise des Abschieds.

"Mwansa": Um den Tod des Vater zu verarbeiten, taucht ein kleiner Junge in Fantasiewelten ein und begibt sich auf eine Reise des Abschieds.

Die aus den Festivals dieser Welt gesammelten Filme, die ausschließlich von den dortigen Zuschauern prämiert wurden, messen sich und ihre Qualitäten vor hiesigen Zuschauern und können zum Publikumsliebling der Publikumslieblinge avancieren. Die Idee des Favourites Film Festivals ist so weit gut. Wie zwiespältig Publikumsentscheide allerdings sein können, zeigt ein Film wie „Gangsterläufer“ (Publikumspreis beim Internationalen Filmwochenende Würzburg, D 2011), der bei der zweiten Festivalausgabe in Moabit, das vom 30. August bis 2. September stattfindet, zu sehen sein wird. Dieser Dokumentarfilm ist in seiner intellektuellen Leistung fraglich, sogar bedenklich, führt er den Diskurs um die Debatte von Migranten in Deutschland doch lediglich auf einer Gegensätze schaffenden Ebene.

Die Absicht des Dozenten der Axel-Springer-Akademie und Filmemachers Christian Stahl mag gut gemeint sein, er begleitet einen jugendlichen Intensivstraftäter im Bezirk Neukölln fünf Jahre lang mit der Kamera, vermeidet er es doch, groß Werturteile zu fällen. Aber genau das ist die Schwäche des Films und die des Regisseurs. Es bleibt nur ein Raum für die polarisierenden, populistischen Perspektiven der kleinen Sarazins oder der kleinen Integrationsbeauftragten übrig. Stahl zeigt, ob nun bewusst oder unbewusst, nichts zwischen den Klischees und Vorurteilen  – und bemüht sich nicht einmal darum. Vielleicht dreht Stahl ja mal einen Film etwa über die Ögers dieser Stadt, allerdings verkauft sich das dann sicher nicht so gut wie ein Gangsterläufer.

An diesem Punkt muss also das Publikum gefragt sein. Stille Wahlen im Kinosaal sind oft üblich bei Festivals. Man wirft sein Kärtchen in eine Box – und gut ist es. „Gängsterläufer“ ruft dagegen zu einem Diskurs unter Zuschauern auf – und auch über das Filmemachen selbst. Ein Festival, das das Publikum in sein Zentrum stellt, muss und sollte man in dieser Form also nutzen. Neben diesem zum Glück singulär bleibenden Totalausfall lassen andere Gewinnerfilme nämlich auch auf  eine positive  Meinungsstärke des Publikums schließen. Die kindliche, naive Fantasie des kleinen Mwansa (Samuel Mwale), in dem beim Austin Film Festivals prämierten Film „Mwansa the Great“ aus Sambia (2010) ist mitreißend, und es ist nicht verwunderlich, dass der Film ein überzeugender Publikumsliebling ist.

Ideenreiche Bilder und eine kluge Inszenierung erzählen die Heldentaten des kleinen, großartigen afrikanischen Jungen, die durch ihre eigenartige Tricktechniken dem Zuschauer das ein oder andere Lächeln abgewinnen werden. Insgesamt werden allerdings nicht nur diese harten Konkurrenten ins Rennen geschickt. An vier Vorführabenden kann man aus sechzehn Langfilme verschiedensten Genres den „Besten“ wählen und ebenso aus insgesamt elf Kurzfilmen. Die kurzen Streifen werden allerdings nur an einem Abend gezeigt, wobei hier auch Perlen der patriotischen Unterhaltung, wie „Heimatland“ (2010) aus der Schweiz, zu sehen sein werden.

Der vom Publikum gewählte Gewinnerfilm im Bereich „Langfilm“ kann sich dann auf 1500 Euro freuen, Geld, das von der Erich Pommer Stiftung gestiftet wurde und dem Produzenten zukommt. Nach der Bekanntgabe und Siegerehrung am Sonntagabend wird natürlich der prämierte Film noch einmal gespielt. Neben den cineastischen Eindrücken und der Abstimmung über die Filme, kann der Zuschauer an den vier Festivaltagen auch ein kleines Rahmenprogramm erleben. Am Freitag diskutieren Filmemacher, Autoren und Produzenten über das Für und Wider der Vermarktungsstrategie „Videopitch“.

Was eine Art Expose von Drehbuchautoren ist, aber in Form eines Videos potenziellen Kunden die Idee für einen Film näher bringen soll. So soll die direkte Kommunikation zwischen Förderern und Kreativen gestärkt werden. Zu Gast rühmt sich am Freitag auch das Kreuzberger Filmquiz. Zuschauer in Teams von zwei bis fünf Leuten treten hier in mehreren Fragerunden über Filmstile, Trailer und Filmausschnitte gegeneinander an. Aber keine Angst, es soll der Spaß am Spiel und nicht das Unwissen der Teilnehmer ernst genommen werden. Nicht ganz so theoretisch wird das Favourites Film Festival-Tanzfest nach den Vorstellungen am Samstag ablaufen. Es gibt demnach viel zu entdecken bei der zweiten Festivalausgabe. Und sei es allein der Punkt, dass man hier wirklich als Rezipient und nicht nur als Konsument gefragt ist.

Sven Bruelke

Favourites Film Festival 30. August bis 2. September, Filmrauschpalast, Kulturfabrik Moabit (Lehrter Str. 35), www.favouritesfilmfestival.de