Aron Lehmann über seinen Film „Kohlhaas oder Die Verhältnismäßigkeit der Mittel“

"Mangel schafft Kreativität"


Aron Lehmann, aufgewachsen im Nördlinger Ries, studierte an der Hochschule für Film- und Fernsehen "Konrad Wolf" in Potsdam-Babelsberg Regie und hat nach zahlreichen Kurzfilmen mit "Kohlhaas oder die Verhältnismäßigkeit der Mittel" seinen ersten Langfilm gedreht.

Aron Lehmann, aufgewachsen im Nördlinger Ries, studierte an der Hochschule für Film- und Fernsehen "Konrad Wolf" in Potsdam-Babelsberg Regie und hat nach zahlreichen Kurzfilmen mit "Kohlhaas oder die Verhältnismäßigkeit der Mittel" seinen ersten Langfilm gedreht.

Kleists Novelle „Michael Kohlhaas“ soll verfilmt werden. Mit Opulenz und aufwändigen Kulissen. Es wäre alles gut, würde dem Film nicht die Finanzierung gestrichen. Aufhören? Weiterdrehen? Mit dem was übrig bleibt vom groß angelegten Plan? Regisseur Lehmann (Robert Gwisdek) hält an seinem nicht abgedrehten Meisterfilm fest und stemmt sich gegen das Scheitern. Aron Lehmann, Regisseur von „Kohlhaas oder Die Verhältnismäßigkeit der Mittel“ (zur Filmkritik), musste, ebenso wie sein gleichnamiger Protagonist Lehmann, mit widrigen Umständen während des Drehs leben und für seinen ersten Langfilm kämpfen. Mit uns unterhielt er sich über Zusammenhalt im Team, künstlerischen Freiraum, Posaunen im Keller und über Kleists Aufwiegler Kohlhaas.

Der deutsche Film besitzt nicht selten die Eigenart, den Zuschauer mindestens einmal im Film zu langweilen. „Kohlhaas oder Die Verhältnismässigkeit der Mittel“  ist Dein erster Langspielfilm. Er beruht auf Kleists Novelle „Michael Kohlhaas“ und löst nicht nur elegant die Grenzen zwischen fiktionalem und dokumentarischem Erzählen auf – er unterhält sehr eindrücklich.
Mir war es wichtig, keinen Film für Filmemacher zu machen. Ich habe darum tunlichst von allen Insiderwitzen abgelassen.

Die Eingangszene ist epochal. Kohlhaas zieht mit einem Ritterheer heran. Dann fällt die erste Klappe. Die Finanzierung des Films ist gescheitert. Die Schauspieler nächtigen nun in einem Wirtshaus auf einem Matratzenlager. Deinem Helden wird selbst das Schwert genommen. Gekämpft wird fortan mit Ästen und Stöcken. Was Dein Film erzählt, ist nah an der Realität. Du musstest mit geringem Budget und viel persönlichem Einsatz aller Beteiligten arbeiten. Wo hat Dein Team geschlafen?
Wir haben es recht günstig in einer katholischen Jugendherberge in der Nähe meines Heimatdorfes, wo wir gedreht haben, untergebracht und haben in einem Mehrbettzimmer geschlafen. Die Schauspieler hatten Einzelzimmer. Aber die Verpflegung war sehr gut. Die örtliche Bäckerei hat täglich drei Kisten Brötchen und süße Stückchen gesponsert. Meine Eltern haben das Catering übernommen und ab fünf Uhr morgens Schrippen geschmiert. Die Frauen im Dorf haben Kuchen gebacken. Die Unterstützung war sensationell.

Was macht so eine Situation mit dem Team?
Es gibt zwei Möglichkeiten: Lagerkoller und alle hassen sich irgendwann. Oder, es schweißt zusammen. Das Kohlhaas-Team hängt bis heute sehr aneinander. Das habe ich während den Dreharbeiten gar nicht so wahrgenommen, ich war zu sehr auf den Film und das Produkt fokussiert. Wenn sich ein Team versteht, profitiert das Projekt ungemein, gerade dann, wenn alle ohne Gage arbeiten müssen.

Kohlhaas ist zugleich Dein Abschlussfilm an der HFF Potsdam. Wie ist die Idee zum Film entstanden?
Tatsächlich aus der Not heraus. 2010 wurden wegen der Weltwirtschaftskrise Gelder an der Hochschule gestrichen. Zum ersten Mal wurden die Studenten angehalten, ihr Studium pünktlich zu beenden. Wer keinen Abschlussfilm hatte, musste seinen letzten Film als Abschlussfilm anmelden. Damit war ich unzufrieden. Ich hatte viel gedreht in der Zeit und wollte unbedingt einen Langfilm machen. Der Langfilm aber, an dem ich gearbeitet habe, ließ sich nicht innerhalb eines Jahres finanzieren. Ich wollte trotz der knappen Zeit noch einmal etwas richtig Fettes und Epochales machen. Ein wenig auf die Kacke hauen. Einen Western oder einen Historienfilm machen. Das Theater lebt ja tagtäglich vor, dass es möglich ist, den Zuschauer mit wenig Ausstattung in eine eigene Fantasiewelt zu entführen. Dann kam die Idee dazu, die Entstehung dieses Films mit einfließen zu lassen und zwei Ebenen, Dokumentation und Fiktionen, zu vermischen. Die Grenzen ineinanderfließen zu lassen, dieser Gedanke gefiel mir wahnsinnig gut. Es brauchte aber eine gute Geschichte, damit der Film nicht zur Klamotte wird. Ich habe mich also durch die ältere deutsche Literatur gearbeitet und bin dann auf Kohlhaas gestoßen.

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