Teil 2: Wir blicken zurück auf das Jahr 2013

2. Teil: Jahresbilanz 2013


Inside-Llewyn-Davis

"Inside Llewyn Davis": Spät im Jahr gestartet und dennoch ein Highlight unserer Autoren. Foto: Studiocanal

Weiter geht es mit der Rückschau. Unsere Autorin Marie Ketzscher hat sich in diesem Jahr nur peripher auf Festivals rumgetrieben und in der Folge viel zu viel unwichtiges Blockbuster-Kino gesehen. Ein paar Perlen waren aber trotzdem dabei. Peter Correll hat es gar nach Rumänien zum Anonimul-Festival verschlagen, während SuTs Jahr viel Wille, Ausdauer und Durchsetzungskraft verlangte.

MarieBANALE ZUKUNFT UND MUTLOSE FRAUEN von Marie Ketzscher

Die Zukunft hat mich 2013 ganz schön kalt gelassen. Die einzige interessante cineastische Auseinandersetzung lieferte Ari Folmans The Congress, obwohl der Film als Narrativ und Collage mit voranschreitendem Plot verunglückt. Aber Folman stellt wichtige Fragen, die das Medium Film, aber auch generelles Medienkonsumverhalten verhandeln: Werden die Schauspieler mit dem zunehmenden technischen Fortschritt obsolet? Wollen wir das Kino als totales immersives Ereignis? Bei aller Anmaßung und überbordender Metaphorik ist „The Congress“ ein großartiger Versuch der Metareflektion.

Besonders banal erschien mir die Zukunft hingegen inGravity – was ist am Weltraum noch interessant, wenn er nur ein weiteres Action-Setting für bombastisch-surreale Explosionen darstellt? Wenn es nur darum geht, „Final Destination„-mäßig den Botox-Hintern auf die Erde zu retten? Spannung und atemberaubendes 3D allein konnten mich nicht fesseln. Gänzlich fremd und bedrohlich war die Zukunft dann in del Toros „Pacific Rim“ und noch dazu gänzlich unterirdisch und redundant, mit einem grausamen Soundtrack unterlegt. Nicht alle cineastischen Liebes – und Lieblingsprojekte sollten auf die Leinwand gelangen.

Neben dem Blick in die Zukunft haben mich vor allem die Frauenperspektiven 2013 irritiert. „Concussion“ – vollmundig als emanzipatorischer Streifen angekündigt – war vielleicht die größte Enttäuschung in diesem Jahr, völlig mutlos und konventionell. Die reine Wohlstandslethargie auf lesbisch, als hätte man Cate Blanchetts Blue Jasmine (Woody Allens Dauerneurose plappert zu viel) in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung abgestellt. Selbst der Sex als vermeintlich befreiender Akt wird durch die anschließenden therapeutischen Gespräche der Beteiligten sofort wieder familiengerecht zerredet. Damit konnte sich „Concussion“ getrost mit Inzestschmonzetten à la „Tage am Strand“ in die 4000 Euro-Laken legen. Einzig Frances Ha fiel aus den erwartbaren Mustern: Eine glaubwürdige Frauenfigur, die – vielleicht ein wenig zu hipsteresk – mit ihrer beruflichen Orientierung hadert und mit der besten Freundin als Wahlfamilie. Keine Frau, die vor ihrem eigenen Geld und ihrem Snobismus gerettet werden muss. Und ganz ohne Mann/Frau als Glückssubstitut.

Die Filme, die mich 2013 begeistert haben, waren im Grunde Reminiszenzen, so zum Beispiel Inside Llewyn Davis. Schön unprätentiös und einfach erzählen die Coens vom Außerhalb der Gesellschaft, vom alltäglichen Kampf gegen die Windmühlen, von der Bewahrung der eigenen Identität und Autarkie. Und trotz visueller und atmosphärischer Rollkragenpulli-Magie: Die Verortung der Geschichte im New York der 60er macht „Inside Llewyn Davis“ nicht weniger universell und zeitlos.

Durch einen unglücklichen Anlass kam mir Mitte des Jahres ein ebenso zeitloser Film, ein richtiger Klassiker, vors Auge. Als Zeichen des in Stuttgart grassierenden, chronischen Kulturschwunds ging 2013 die Filmgalerie 451 (eine Kult-Videothek) vor die Hunde, zum Abschluss lief Robert Altmans „The long goodbye“ („Der Tod kennt keine Wiederkehr„). Altmans lustvolle Phillip Marlowe-Dekonstruktion ist auch ein grandioser Abgesang auf die Hippiekultur – die nackten Nachbarinnen gegenüber Marlowes Apartment haben unlängst vergessen, warum sie sich eigentlich ausgezogen haben. Ein Must-See.

Den größten Spaß hatte ich 2013 wohl mit James McAvoy und der von ihm verkörperten „Drecksau„. Irvine Welshs Humor und Tragik wirken nicht mal wie aus der Zeit gefallen, sie wirken gestrig. Die Story rund um den korrupten Polizisten Bruce Robertson, der sein viel zu laut schlagendes Herz permanent mit Hinterfotzigkeit kaschieren möchte, ist der reine Rave-Exzess der 90er. McAvoys wunderbare Intensität und ein erschütternder, famoser Handlungstwist waren die Highlights dieses bereichernden Kinoerlebnisses. Warum in die Zukunft schauen, wenn der Rave immer noch so viel über die menschlichen Abgründe erzählen kann.

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