Teil 2: Wir blicken zurück auf das Jahr 2013
2. Teil: Jahresbilanz 2013
BADENDE KÜHE, SCHWULE COWBOYS UND LEIDENDE RUSSEN von Peter Correll
Sonne, Strand, Meer, Filme. Meine Mitautorenschaft mag mir verzeihen, dass ich mein diesjähriges Festivalhighlight außerhalb unserer geliebten Hauptstadt verorte. Doch obwohl ich im Februar erstmals mit Akkreditierung die Berlinale besuchen durfte, bleibt meine Reise zum Anonimul-Festival in Rumänien der cineastische Höhepunkt des Jahres 2013. Auf einer winzigen Insel im Donau-Delta gab ich mich tagsüber dem Müßiggang und nachts – unter freiem Himmel – einem wunderbaren Filmprogramm hin.
Zwischen neugierigen Rumänen, feinen einheimischen Fischgerichten, im Meer badenden Kühen und dem sympathischsten öffentlichen Verkehrsmittel der Welt (einem Traktor mit Anhänger) war keine Zeit für Langeweile. Den Drehbuchautor, der während meines Aufenthalts besondere fluoreszierende Algen im Meer platzierte (Filmfans denken an Danny Boyles „The Beach„), hätte ich als alter Kitsch-Feind natürlich sofort gefeuert. Doch die Realität erzählt eben manchmal die besten Geschichten und so konnte ich einem unvergesslichen Film- auch ein unvergessliches Badeerlebnis hinzufügen.
Schnitt. Zurück in den kalten Berliner Novemberregen – zu einem Festival, dass mir aus verschiedenen Gründen besonders am Herzen liegt: interfilm. Als Mitorganisator kann ich selbstverständlich keine neutrale Bewertung gewährleisten, doch dass wieder einige wunderbare Kurzfilmperlen im Programm zu finden waren, kann wohl als objektives Gemeingut verbucht werden. Mein Highlight: „It’s Not a Cowboy Movie„, der leider im Jugend- und Queerprogramm „versteckt“ wurde. Der französische Film zeigt jeweils zwei Jungen und zwei Mädchen, die auf der Schultoilette über den Film „Brokeback Mountain“ diskutieren. Ang Lees Cowboy-Drama sorgte bei den Jugendlichen selbstverständlich für amüsante Verwirrungen. Die Besonderheit: Regisseur Benjamin Parent inszeniert ein gesellschaftliches Reizthema extrem lässig, tanzt spielerisch auf der Rasierklinge des Klischees. Nicht nur ich sondern auch „Kamerapferd“ Erik Schmitt, der mit dem Film „Nashorn im Galopp“ selbst für ein interfilm-Highlight gesorgt hatte, war beeindruckt. Das Q&A mit Benjamin Parent in der mässig gefüllten Jugendvorstellung nutze er, um den französischen Regisseur begeistert Löcher in den Bauch zu fragen. Erik Schmitt und ich waren uns einig: Merkt euch nicht nur den Namen des Regisseurs – auch Hauptdarsteller Finnegan Oldfield werden wir bald regelmäßig auf der großen Leinwand bewundern können.
Nicht unerwähnt darf die Russische Filmwoche bleiben, die mir als bekennendem Russophilen stets besonderes Vergnügen bereitet. Auch in diesem Jahr wurde ich nicht enttäuscht. Mit „Der Geograf, der den Globus austrank„ und „Durst“ dürfte ich gleich zwei russische Originale genießen: lakonisch, fatalistisch, schwarzhumorig, vodkaschwanger aber stets mit einer winzigen Prise Hoffnung. Keiner leidet so leidenschaftlich wie die Russen. Zu guter Letzt möchte ich auch meine regulären Kinolieblinge des Jahres 2013 nicht verschweigen.
Paolo Sorrentino begeisterte mich mit seiner abstrusen Ode an das süße Leben („La Grande Bellezza„), der belgische Überraschungshit „The Broken Circle„ von Felix van Groningen entlockte mir erstmals seit „My Girl“ (in Kindertagen!) einige bittere Tränen und der Joshua Oppenheimers Dokumentarfilm „The Act of Killing„ ließ mich verstört, aber begeistert zurück. Auch die notorischen Coen-Brüder und Regie-Darling Quentin Tarantino erfüllten meine hohen Erwartungen mit Bravour. 2013 war ein gutes Jahr für Filmliebhaber.