Interview mit Toby Ashraf zum neuen Berlin Art Film Festival
"Eine Kampfansage gegen Förderung und finanzielle Abhängigkeiten."
Das neue Berlin Art Film Festival tritt ab 4. Dezember im Kreuzberger Kino Fsk mit einem Programm an, das ohne Fördergelder auskommt und den Berliner neue Perspektiven aufzeigen will. Berliner Filmfestivals hat Organisator Toby Ashraf befragt und erfahren, dass beim Berlin Art Film Festival die Berliner Schule auf Porno trifft, wie das Filmfest vom Zusammenhalt in der Sache einer unabhängigen Filmkunst-Kultur profitiert und wo das mutigste Kino der Stadt zu finden ist…
Ihr sprecht vom totfotografierten Berlin und von einem völlig anderen Licht, in dem ihr es mit euren Filmen zeigen wollt. Was erwartet eure Zuschauer?
Toby Ashraf: Unsere ZuschauerInnen erwarten andere, wiederentdeckte und brandneue Perspektiven auf die filmische Stadt. Das ist zum Teil wortwörtlich zu nehmen; Vika Kirchenbauer und Martin Sulzer haben winzige GoPro-Kameras an Brieftauben befestigt und diese über dem Regierungsviertel losgelassen. Ihr „Kingdom Come: Rituals“ ist ein atemberaubender Experimentalfilm aus verstörenden Tönen und flackernden Bildern. David M. Lorentz zeigt uns den Alltag einer Straßenzeitungsverkäuferin aus ihrer Perspektive – mithilfe von versteckten Mikrokameras, die an ihrem Körper befestigt sind („Entschuldigen Sie bitte die kurze Störung“). Daneben geht es in vielen Langfilmen um eine andere Sicht auf das Leben in Berlin. Die Filme der Berliner Schule zum Beispiel („In den Tag Hinein“, „Der Schöne Tage“, „Mein langsames Leben“) vermitteln uns ihre Geschichten hauptsächlich in bezwingend poetischen Bildern und verabschieden sich dabei von einem klassischen Erzählkino, das Dialogen, Plots und einer konventionellen Dramaturgie folgt. Das Festival zeigt dabei keine Filme, die Berlin nur als Kulisse benutzen oder sich auf die Schauwerte der Stadt verlassen. Alle Filme eint, dass sie eine sehr spezifische, oft mutige, verquere und vollkommen eigenwillige Sicht auf die Stadt zulassen. Ob Berlin jetzt in aberwitzigen Tableaux zur Bühne wird wie bei Julian Radlmaier oder Ausgangspunkt für eine komische Auseinandersetzung mit Geschlecht und Gentrifizierung wird wie bei Tatjana Turanskyj.
Ihr verzichtet auf Geldgeber, um beim Programm keine Kompromisse eingehen zu müssen, wie ihr sagt. Beschneidet ihr euch nicht auch um Chancen, wenn ihr Filme nicht zeigen könnt, weil ihr sie euch nicht leisten könnt?
Die Tatsache, dass wir weder gefördert noch gesponsort werden und uns allein durch die Gelder der Eintrittskarten finanzieren müssen, war keine freie Wahl. Dass das Festival nun überhaupt stattfindet, ist eine Kampfansage gegen Förderung und finanzielle Abhängigkeiten. Es bedeutet für mich persönlich ein extrem hohes Risiko, da ich die Menschen, die für mich arbeiten, bezahlen will und dies aus eigener Tasche tue – in der Hoffnung am Ende des Festivals bei Null raus zu kommen. Zu Kompromissen in der Programmplanung wäre ich aber so oder so nicht bereit gewesen. Genau so ist das Programm dann auch geworden: kompromisslos. Ich liebe und verteidige jeden einzelnen der 34 Filme und freue mich auf jedes einzelne Screening. Zugeständnisse an einen vermeintlichen Publikumsgeschmack gibt es keine – das halte ich auch für eine vermessende Unterschätzung der KinogängerInnen. Sicherlich muss man beim Berlin Art Film Festival Neugierde und Offenheit mitbringen und den Willen sich auf vollkommen neue Formen, Inhalte und eine andere Ästhetik einzulassen. Aber das ist nun mal Kino für mich – eine niemals endende spannende Entdeckungsreise für alle, die den Mut haben sie anzutreten. Was die Kopien-Kosten anbelangt: Bis auf ganz wenige Ausnahmen halten sie sich im Rahmen. Zudem erfahre ich eine überwältigende Solidarität von Verleihern und ProduzentInnen, die mir ihre Filme im Angesicht der prekären Lage des Festivals deutlich günstiger oder teilweise umsonst geben. Ob Jürgen Brüning, die Edition Salzgeber, die Filmgalerie 451, Schramm Film, arsenal distribution oder die dffb – alle unterstützen uns und setzen damit auch ein sehr wichtiges Zeichen für einen Zusammenhalt in der Sache einer unabhängigen Filmkunst-Kultur. Ich bin ihnen unendlich dankbar und fühle mich durch ihre Hilfe in dem was ich mache verstanden – so blöd das auch klingen mag.